Wo woar mei Leistung?

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© Thomas Meyer

Es ist schon interessant, wie schnell wir vergessen. Gerade eben jährte sich der Ausbruch der COVID-Pandemie zum zweiten Mal. Zeit sich ein wenig mit der Leistung der Pharmaindustrie und dem damit verbundenen Image zu befassen.

Vor COVID gehörte es zum guten Ton, die Pharmaindustrie als “über-erfolgreichen” Wirtschaftsfaktor zu betrachten. Gewinnmaximierer und schonungslose Monopolisten waren durchaus übliche Bezeichnungen. Dass Medikamente, die nach langer und daher teurer Forschung und Entwicklung endlich zur Zulassung kamen, nicht automatisch auch den PatientInnen zur Verfügung standen, war unser Alltag. Als „Scheinmedikamente“ und „Me-too-Präparate“ zu “sky rocketed prices” verunglimpft dauerte es oft lange, bis sie auch tatsächlich das tun konnten, wofür sie erforscht wurden – nämlich PatientInnen eine schnellere Heilung oder einen besseren Umgang mit einer Erkrankung zu ermöglichen.

Und dann – kam COVID und alles war anders.

Plötzlich war der Ruf nach Innovation laut zu hören. Worte wie Hoffnungsschimmer, Rettung der Menschheit, vielversprechende Aussichten, etc. geisterten durch die Medien. Heute zwei Jahre später scheint vieles davon bereits vergessen. Deshalb hier ein kleiner Versuch, ein paar der unzähligen Leistungen der Pharmaindustrie während der COVID-Krise zusammen zu fassen.

Die Pharmaindustrie war eine der ersten Branchen, die den Ernst der Lage erkannten.

Spenden

Sowohl global als auch national lief eine enorme Spendenbereitschaft an. So wurden schnell qualifiziertes Personal öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt, Sachspenden wie Masken, Desinfektionsmittel und Einmal-Handschuhe verteilt und auch schlichtweg finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt – in Österreich z.B. an das Rote Kreuz oder an den Corona Nothilfefond der Caritas.

Forschung und Entwicklung

Unsere Kernkompetenz wurde in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit hochgefahren und das in den unterschiedlichsten Bereichen je nach spezifischem Knowhow der Konzerne.

  • Diagnose: Das wichtigste Problem war, infizierte und nicht infizierte Menschen unterscheiden zu können. Bis September 2021 sind von der FDA über 400 Tests (molecular, antibody & antigen tests)[1] zugelassen worden. Die Zulassung allein genügt jedoch nicht. Die Leistung, alle benötigten Bestandteile zu beschaffen, die Produktion und die Logistik zu bewerkstelligen und das unter erschwerten COVID Bedingungen, ist einzigartig. Allein in Österreich sind bis November 2021 über 96 Millionen Tests durchgeführt worden[2].
  • Prävention: In der EU sind mittlerweile vier COVID-Impfstoffe zugelassen worden. Auch hier gilt das oben Gesagte – zu gut können wir uns an die anfängliche Kühlketten-Thematik und die damit verbundenen Probleme erinnern. Die WHO listet auf ihrem Vaccine Tracker[3] mit 29.10.2021 unglaubliche 322 Impfstoff-Projekte, die eine hohe Anzahl an neuen Impfstoffen, verbesserte Impfregimes, einfachere Logistik oder aber Zulassungen für bestimmte Zielgruppen ermöglichen werden. Bisher wurden in Österreich rund 11,5 Millionen Impfdosen verabreicht[4].
  • Therapie: Die Entwicklung von möglichen Medikamenten zur Therapie von COVID-PatientInnen ist der Priorisierung und Fokussierung der Industrie zu verdanken. Dabei werden einerseits Medikamente, die bereits für andere Indikationen zugelassen sind, erprobt (repurposing) und andererseits neue Therapien erforscht. Die Medikamente, die im Rahmen der Therapie von COVID-PatientInnen benötigt werden, fallen meist in folgende fünf Gruppen:
    • Antivirale Medikamente: Viren sollen daran gehindert werden in die Körperzelle einzudringen oder sich dort zu vermehren.
    • Herz-Kreislauf-Medikamente: Sie sollen die Blutgefäße, das Herz und weitere Organe vor Komplikationen durch eine COVID-19-Erkrankung schützen.
    • Dämpfende Immunmodulatoren: Sie sollen im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung die Abwehrreaktionen des Körpers so begrenzen, dass diese nicht noch mehr Schaden anrichten als die Viren selbst.
    • Medikamente für die Lungenfunktion: Sie sollen der Lunge helfen, während der akuten Infektion ihre Funktion aufrecht zu erhalten und sich anschließend möglichst folgenlos zu regenerieren.
    • Medikamente gegen Long COVID: Also gegen andauernde Beschwerden nach Abklingen der eigentlichen COVID-19-Erkrankung.

Laut US-Verband BIO[5] befinden sich derzeit 262 antivirale Substanzen und 363 andere therapeutische Substanzen gegen COVID in Erprobung. Einen guten Überblick, welche Substanzen bereits zugelassen sind oder empfohlen werden, bietet das FOPI unter Therapeutische Medikamente gegen COVID-19.

Um also auf die Ausgangsfrage zurückzukehren – wo woar mei Leistung – das ist mit vier Worten nicht so schnell zu sagen. Eines ist jedoch sicher – die Leistung war einzigartig!

Bärbel Klepp ist Governmental Affairs Specialist & Company Spokesperson bei Roche Austria.


[1] https://www.fda.gov/medical-devices/coronavirus-covid-19-and-medical-devices/covid-19-tests-and-collection-kits-authorized-fda-infographic

[2] https://covid19-dashboard.ages.at/

[3] https://www.who.int/publications/m/item/draft-landscape-of-covid-19-candidate-vaccines

[4]https://info.gesundheitsministerium.at/#:~:text=So%20ist%20es%20m%C3%B6glich%2C%20dass,Dosen%20laut%20Fachinformation%20ausgeliefert%20wurden.&text=*%20Diese%20Zahl%20errechnet%20sich%20aus,bisher%2011.464.988%20Impfdosen%20verabreicht

[5] https://www.bio.org/policy/human-health/vaccines-biodefense/coronavirus/pipeline-tracker