Was kostet Gesundheit? Was ist sie wert?
Die Pharmaindustrie ist ein Wirtschaftsfaktor. Das lässt sich mit – auf den ersten Blick langweiligen – Zahlen belegen: Immerhin 63.000 Arbeitsplätze werden indirekt durch die Pharmaindustrie geschaffen – das entspricht 1,7 % der Gesamtbeschäftigung. Rund 18.00 Personen sind direkt in Österreich in Pharmaunternehmen beschäftigt[i]. Die Arzneimittelproduktion beläuft sich jährlich auf 3,2 Mrd. EUR[ii]. An Wertschöpfung werden 9,6 Mrd. EUR erwirtschaftet. Das sind 2,8 % des BIP. Investiert wurden von den Pharmaunternehmen zwischen 2013 und 2020 in Summe 3,2 Mrd. EUR[iii].
Doch das beeindruckt die Wenigsten.
Die Coronakrise hat uns aber drastisch vor Augen geführt, welche Auswirkungen die Gesundheit auf das Bruttoinlandsprodukt bzw. auf die Neuverschuldung haben kann. Schwindelerregende Kosten, ein drastischer Rückgang der Wirtschaftsleistung und eine markant gestiegene Schuldenquote unterstreichen die Bedeutung der Gesundheit als Wirtschaftsfaktor mit aller Deutlichkeit.
„Ein Tag Lockdown kostet mehr als die gesamte Bevölkerung mit dem teuersten Impfstoff zweimal zu impfen.“
Daraus sollten wir lernen. Und zwar über die Coronakrise hinaus. Neben dem COVID-19-Virus haben nämlich andere Krankheiten, die nicht pandemisch sind, ebenfalls massive volkswirtschaftliche Auswirkungen.
Ein gutes Beispiel ist Diabetes: In Österreich leiden 641.000 Menschen – diagnostiziert und undiagnostiziert – an Diabetes. Das verursacht direkt und indirekt Kosten von bis zu 2,9 Mrd. EUR, die volkswirtschaftlich geleistet werden müssen. Mit 0,62 % des BIP gibt Österreich dabei deutlich mehr aus für Diabetes als Länder wie Irland, Großbritannien oder die baltischen Staaten.[iv] Wie kann das sein, werden Sie sich vielleicht fragen. Statistische Vergleiche weisen nicht einen einzelnen Faktor als maßgeblich aus. Evident ist jedoch, dass etwa Großbritannien eine deutlich höhere Durchdringung mit Scans aufweist und Prädiabetes-PatientInnen somit deutlich früher erkennt und behandelt.
Das stützt zwei meiner Hauptkritikpunkte: Österreich setzt viel zu wenig auf Prävention und gibt sich der Reparaturmedizin hin. Und: Chronische Massenerkrankung sind chronisch unterfinanziert. Das rächt sich.
„Eindeutige Diagnose: Chronische Massenerkrankungen sind chronisch unterfinanziert.“
Deshalb plädiere ich mit Nachdruck dafür, Gesundheit als Wirtschaftsfaktor zu betrachten und Kosten und Nutzen gesamtheitlich zu bewerten. Unbeeinflusst von Einzelinteressen und über das gängige Töpfe-Denken hinweg. Nur dann haben wir eine echte Basis, um uns die Frage zu beantworten: Was ist uns die Gesundheit wert?
Dr. Bernhard Ecker ist General Manager bei Novo Nordisk Österreich und Präsident des FOPI.
[i] Haber, G. (2016): Life Sciences und Pharma: Ökonomische Impact Analyse
[ii] 2019, Statistik Austria.
[iii] Haber, G. (2016): Life Sciences und Pharma: Ökonomische Impact Analyse; firmeneigene Veröffentlichungen 2013–2020
[iv] Biach, A. (2021): Diabetes – eine volkswirtschaftliche Kosten- und Prävalenzanalyse für Österreich; Wiener Wirtschaftskreis/ Wirtschaftskammer Wien