Musterbeispiel RSV: Mit Prävention menschliches Leid und Gesundheitskosten vermeiden

© Freepik

Infektionserkrankungen stellen für das österreichische Gesundheitssystem eine große Belastung dar. So breitet sich beispielsweise das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) derzeit nicht nur in Österreich rasant aus. Es stellt unter anderem für kleine Kinder und Säuglinge eine besondere Gefahr dar. Mit einer neuen Prophylaxe zeichnet sich jedoch Hoffnung ab, die beispielhaft für sinnvolle Prävention sein kann, meint Gülsen Sever Yildiz von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz.

In den vergangenen Jahren wurde ein hohes Infektionsaufkommen von RSV verzeichnet.

Nach Abklingen der Corona-Maßnahmen sind die RSV-Infektionszahlen in Europa sehr stark angestiegen, unter anderem durch den Wegfall der Hygienemaßnahmen. Generell wurde die Verbreitung von RSV von der Allgemeinbevölkerung aber lange Zeit unterbewertet.

RSV verursacht wegen seiner saisonalen Verbreitung und hohen Übertragbarkeit zwischen Spätherbst und Frühjahr regelrechte Epidemien. Allein in diesem Jänner wurden laut dem SARI-Dashboard in Österreichs Spitälern rund 850 Personen wegen RSV stationär aufgenommen, fast 30 davon mussten auf der Intensivstation behandelt werden. Vor allem Kinder sind betroffen: Schätzungen zufolge infizieren sich in Österreich etwa 54.600 Kinder im ersten Lebensjahr mit RSV, 1.100 von ihnen müssen hospitalisiert werden.

Das hat Folgen für das Gesundheitssystem.

RSV-Erkrankungen belasten die Spitäler schwer und stellen eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem dar, insbesondere, weil die RSV-Saison zeitlich mit der Influenza- und der SARS-CoV2-Saison zusammenfällt.

„Das führt zu überfüllten Ambulanzen in Kinderkliniken und etlichen belegten Spitalsbetten, die mit hohen Kosten verbunden sind.“

Allein bei uns an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz fallen für die Behandlung von an RSV erkrankten Säuglingen im Jahr rund 3,5 Millionen Euro an. Da die Erkrankung nicht zu einer bleibenden Immunität führt, kann man sich auch immer wieder mit dem Virus infizieren.

Für Säuglinge und Kinder kann RSV besonders gefährlich sein, wie sich erst vor kurzem dramatisch an dem Todesfall eines sieben Monate alten Babys in Wien gezeigt hat. RSV zählt zu den häufigsten Erregern tiefer Atemwegsinfektionen bei Kindern unter fünf Jahren und ist die Hauptursache für Hospitalisierungen von gesunden Säuglingen. Vor allem die Erstinfektion ist oft mit einem schweren, lebensbedrohlichen Verlauf verbunden, weil noch keine Antikörper gebildet wurden und die Atemwege der Kinder sehr eng sind.

Negative gesundheitliche Spätfolgen wie zum Beispiel Asthma oder COPD, die durch eine RSV-Infektion verursacht werden können, sind nicht zu unterschätzen.

Studie der Uniklinik Kinder- und Jugendheilkunde in Graz brachte überraschende Ergebnisse.

In der Studie unter der Leitung von Prof. Bernhard Resch haben wir uns die Hospitalisierungen von an RSV erkrankten Kindern zwischen 2015 und 2022 angesehen. In diesem Zeitraum kamen 976 Kinder hier in Graz wegen RSV ins Spital, vier Fünftel davon waren jünger als zwölf Monate. Die überraschendste Erkenntnis der Studie war, dass 87 Prozent der Kinder, die wegen RSV aufgenommen wurden, völlig gesunde, reifgeborene Kinder ohne eine Grunderkrankung waren. Das heißt, dass das Virus auch gesunde Kinder schwer treffen kann. Und leider gibt es bei RSV noch keine kausale Therapie.

„Deshalb braucht es effektive Präventionsmaßnahmen.“

RSV ist leicht übertragbar. Abgesehen von den typischen Hygienemaßnahmen wie regelmäßigem Händewaschen und die Vermeidung von Kontakt zu erkrankten Personen bietet eine Immunisierung den besten Schutz.

Vor kurzem hat Sanofi gemeinsam mit AstraZeneca eine Prophylaxe entwickelt, die sich als großer Hoffnungsschimmer im Kampf gegen RSV erweist. Sie ist zum Schutz gegen RSV für alle Kinder (einschließlich Risikokinder) zugelassen mit nur einer Verabreichung für die gesamte RSV-Saison. Das bedeutet eine erhebliche Reduktion des Aufwands sowie der Kosten für die Prophylaxe, weil Eltern ihre Kinder nicht mehr jeden Monat immunisieren lassen müssten.  

„Damit kann nicht nur die Krankheitslast gesenkt werden, sondern auch das Gesundheitssystem entlastet werden.“

Vor allem in der Erkältungssaison, in der RSV-, Influenza- und SARS-CoV2-Infektionen gehäuft auftreten, könnte eine breitangelegte RSV-Prophylaxe für Säuglinge einen Beitrag dazu leisten, Überlastungen und Engpässe in Spitälern und Ordinationen zu vermeiden und letztendlich Gesundheitskosten zu senken.

In anderen Ländern sind Spitalsaufenthalte gesunken.

Wir sehen: In jenen Ländern wie Spanien, Frankreich oder aktuell auch Luxemburg, die bereits mit einer flächendeckenden Immunisierung ihrer Säuglinge begonnen haben, sind die Krankenhausaufenthalte wegen RSV erheblich gesunken. Darüber hinaus schützt die Immunisierung von Jüngeren auch ältere Menschen oder Menschen mit einer geschwächten Immunantwort, für die das Virus ebenfalls lebensbedrohlich sein kann: Immerhin infiziert ein Säugling mit RSV im Durchschnitt drei weitere Personen. Diese Infektionskette könnte durch eine breitenwirksame Immunisierung unterbrochen werden. 

Der langwirksame monoklonale Antikörper wurde bereits in den Impfplan Österreich für alle Säuglinge aufgenommen. Ich hoffe sehr auf ein rasches öffentliches Immunisierungsprogramm, um schon heuer alle Säuglinge schützen zu können…

„In meiner Arbeit sehe ich immer wieder, wie wichtig präventive Maßnahmen wie Impfungen und Immunisierungen sind. Ich erlebe täglich, welch unnötigem Leid und teilweise auch welcher Gefahr Kinder und Säuglinge ausgesetzt sind. Die medizinische Lösung dafür gibt es bereits – wir brauchen sie nur mehr entschlossen einzusetzen.“

Dr. Gülsen Sever Yildiz ist Assistenz-Ärztin am LKH Univ.-Klinikum Graz, Klinische Abteilung für Pädiatrie.