FOPI.flash November 2021

In dieser Ausgabe

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Editorial

Wollen wir Innovationen für unser Gesundheitssystem?

Die Nutzung und Vernetzung von Gesundheitsdaten ist entscheidend für die Erforschung innovativer Therapien. Trotzdem wird in Österreich nahezu jede aufkeimende Initiative mit der „Datenschutz-Keule“ erschlagen. Eine interessante Diskussion dazu können Sie in wenigen Tagen in der nächsten Folge unseres Podcasts hören, in der Corinna Milborn mit Tanja Stamm von der MedUni Wien und Michael Stampfer vom WWTF – Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds diskutiert.

Um diese Untiefen zu umschiffen, ist das Robert Koch Institut in Deutschland einen ungewöhnlichen Weg gegangen. Es hat die Corona Datenspende App ins Leben gerufen und erhält so die Daten der NutzerInnen freiwillig. Einen Bericht über diese smarte Forschungsmethode lesen Sie in unserer Serie „Innovation Journey durch Europa“.

Der Zugang zu Innovationen wird außerdem von Patricia Tschabitscher in der Interviewreihe „FOPI Führungspersönlichkeiten im Gespräch“ thematisiert. Sie spricht klare Worte über die systematische Benachteiligung von neuen Therapien und bedauert, dass Österreich deshalb schon längst nicht mehr das „beste Gesundheitssystem der Welt“ hat.

Bernhard Ecker, Tuba Albayrak & Wolfgang Kaps
Präsidium des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI)


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Innovation Journey durch Europa – wo gelingt der Zugang zu Innovation besonders gut?

Die Corona Datenspende

Die Nutzung von Gesundheitsdaten wird in vielen europäischen Ländern kontroversiell diskutiert. In Deutschland ist das renommierte Robert Koch Institut einen smarten Weg gegangen und hat um Spende der Daten gebeten. So können von mittlerweile mehr als einer halben Million Deutschen Daten für die Coronavirus-Forschung analysiert werden. Eineinhalb Jahre nach Start der Initiative macht FOPI.flash auf seiner Innovation Journey erneut Station in Deutschland und sieht sich das Projekt genauer an. 

Während in Österreich noch über die Vernetzung von Gesundheitsdaten diskutiert wird, macht in Deutschland ein Projekt des Robert Koch Instituts Furore: Mit der im April 2020 veröffentlichten Corona-Datenspende-App stellen mehr als 500.000 deutsche BürgerInnen den Forschenden freiwillig Daten zur Verfügung, die dabei helfen können, die Ausbreitung des Coronavirus besser zu verstehen. Konkret handelt es sich um Daten von Fitnessarmbändern und Smartwatches, auch Wearables genannt. Diese Daten werden mit Hilfe einer Smartphone-App erfasst und können – zusammen mit Informationen aus anderen Datenquellen wie zum Beispiel den offiziellen Meldedaten – Hinweise auf eine Infektion mit dem Coronavirus liefern. Neuartige Algorithmen erkennen anhand dieser Daten verschiedene Symptome, die unter anderem mit einer Coronavirus-Infektion in Verbindung gebracht werden.

Die Daten – insbesondere Vital- und Aktivitäts-Daten – werden unter anderem auf mögliche Fiebersymptome analysiert und im deutschlandweiten Fiebermonitor aggregiert. Außerdem ergänzt das Robert Koch-Institut die Corona-Datenspende seit einiger Zeit um weitere wissenschaftliche Studien zur Erforschung der Corona-Pandemie, an denen auch BürgerInnen ohne Fitnessarmband und Smartwatch teilnehmen können.

Fieberkarte für Deutschland

Der Datenspende-Algorithmus verwendet die Daten des Ruhepulses und der täglichen Schrittanzahl, um Muster zu erkennen, die für Fiebersymptome charakteristisch sind. Wenn der Ruhepuls einer Person erhöht ist und gleichzeitig die körperliche Bewegung abnimmt, kann das auf Fieber hinweisen. Da Fieber eines der typischen COVID-19 Symptome ist, kann von der Fieberhäufigkeit in der Bevölkerung ein Schluss auf die COVID-19-Fallzahlen gezogen werden. Grafisch veranschaulicht wird dieser Zusammenhang in der aktuellen Fieberkurve für Deutschland.

Eines der angestrebten Ziele ist es, mit Hilfe der Datenspende eine Fieberkarte für Deutschland zu berechnen. Mithilfe dieser Karte soll man auf Landkreisebene und täglich aktualisiert abschätzen können, ob in einer Region überdurchschnittlich viele Menschen Fieber haben. Daraus ließe sich ablesen, ob eine erhöhte Zahl an COVID-19-Fällen zu erwarten ist und wo neue Hotspots entstehen.

Pseudonymisierte Daten

Die Corona-Datenspende-App wird vom Robert Koch-Institut herausgegeben. Die App wurde in Zusammenarbeit mit Thryve (mHealth Pioneers GmbH) entwickelt, einem auf Digital Health spezialisierten Berliner Start-up. Dieses Unternehmen ist der technologische Dienstleister. Weder Thryve noch das RKI erhalten durch die Nutzung der App Kenntnis von persönlichen Informationen wie Name oder Anschrift. Jede NutzerIn erhält eine individuelle ID, das sogenannte Pseudonym. Nur so können Daten auch über längere Zeiträume richtig zugeordnet und interpretiert werden. Die App ist damit nicht anonym, sondern pseudonym. 

Moderne Forschungsmethode

Die Corona-Datenspende hat sich damit für das Robert Koch-Institut als moderne Beobachtungsmethode im öffentlichen Gesundheitsschutz etabliert.

„Digitale Anwendungen können die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 sinnvoll ergänzen.“
Prof. Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts

„Die Datenspende ermöglicht uns, die Ausbreitung des Coronavirus besser zu erfassen und die Dunkelziffer der Infizierten drastisch zu verringern. Diese Informationen sind für Epidemiologinnen und Epidemiologen unglaublich wertvoll und helfen, bessere Maßnahmen daraus abzuleiten.“

Prof. Dirk Brockmann, Humboldt-Universität Berlin

„Indikatoren für eine Virusinfektion aus Sensordaten sind dabei zuverlässiger als die manuelle Eingabe von Krankheitssymptomen ins Smartphone.“
Prof. Oliver Amft, Lehrstuhl Digital Health der Universität Erlangen-Nürnberg


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Zahl des Monats

539.883

Deutsche haben bis dato die Corona Datenspende App heruntergeladen und stellen auf diesem Weg freiwillig Gesundheitsdaten für die Coronavirus-Forschung zur Verfügung. Bei den abgefragten Daten handelt es sich um Angaben zu Geschlecht, Alter in 5-Jahres-Schritten, Gewicht in 5 kg-Schritten, Körpergröße in 5 cm-Schritten, Postleitzahl um 2 Stellen gekürzt und Messwerte wie Schlafverhalten, Herzfrequenz oder Schrittanzahl. Bisherige wissenschaftliche Auswertungen und die daraus resultierende Fieberkurve werden seit dem Sommer 2020 regelmäßig im Blog der Corona Datenspende publiziert.

Quelle: Robert Koch Institut/Zusammen gegen Corona.


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Podcast

Am Mikro|skop – Sind wir von China und Indien abhängig?

Auf welchen Wegen kommen Medikamente zu uns nach Europa? Wo und wie werden sie produziert? Was braucht man, damit ein fertiges Medikament auf den Markt kommt? Bei welchen Arzneimitteln oder Wirkstoffgruppen sind wir von China oder Indien abhängig – wie vielfach kolportiert? Diese Fragen diskutiert Corinna Milborn in der fünften Episode von Am Mikro|skop mit Andrea Michael Meyer, Head of Supply Chain Sanofi Europe. Und sie hinterfragt dabei auch, was wir aus der COVID-Krise gelernt haben. Diese und alle anderen Episoden des – gemeinsam mit dem Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und Chemiereport/Austrian Life Sciences produzierten – Podcasts finden Sie hier: www.chemiereport.at/am-mikroskop


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Podcast

Medizin spannend erzählt

Ebenfalls das Format eines Podcasts nutzt der Springer Verlag mit dem „Hörgang“: Medizinsendungen gehen zwar in die Tiefe, sind aber wenig unterhaltsam und vermitteln nur trockene Fakten. Dieses Vorurteil will der Springer Podcast Hörgang widerlegen. Er ist aktuell und vermittelt Wissen auf dem Stand der Zeit. Neben ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis sind auch KolumnistInnen und FachredakteurInnen der „Ärzte Woche“ zu hören. Die jüngste Folge widmet sich dem Karl Landsteiner Tag und dem Thema „Die COVID-19-Pandemie beflügelt die medizinische Forschung“. Gast ist der Sozialmediziner und Präsident der Gesellschaft, Bernhard Schwarz. https://bit.ly/3FqKKnP


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© Thomas Meyer

Blog

Wo woar mei Leistung?

Wo woar mei Leistung? fragt sich Bärbel Klepp, Government Affairs bei Roche Austria. Sie bezieht sich dabei aber nicht auf politische Ränkespiele, sondern auf die Arbeit der Pharmaindustrie während der Pandemie. Und sie kommt zum Schluss: Die Leistung war einzigartig.

Lesen Sie mehr im neuen FOPI.Blog!


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FOPI Führungspersönlichkeiten im Gespräch

Patricia Tschabitscher: Nicht das beste Gesundheitssystem der Welt

Das österreichische Gesundheitssystem benachteiligt Innovation, erschwert damit den Zugang zu innovativen Medikamenten für PatientInnen und ist deshalb längst nicht mehr „das beste Gesundheitssystem der Welt“, spricht Patricia Tschabitscher, General Manager Vifor Pharma, im Interview mit FOPI.flash klare Worte.

Sie konnten internationale Erfahrungen sammeln und haben zweifellos einen differenzierten Blick auf den österreichischen Gesundheitssektor. Welche Trends nehmen Sie wahr? Wie wird der Wert von Arzneimittel-Innovationen gesehen?

Im globalen Kontext gesehen können wir uns in Österreich in Bezug auf unser Gesundheitssystem sicher noch glücklich schätzen. Wir haben jedoch sicher nicht mehr das viel zitierte „beste Gesundheitssystem der Welt“. Es wird zunehmend schwieriger für österreichische PatienInnen, Zugang zu den innovativsten Medikamenten zu erhalten. Unser System benachteiligt Innovation. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass neuere Medikamente automatisch billiger sein sollen als altgediente. Bei keiner anderen Branche wäre das möglich. Es ist völlig selbstverständlich, dass ein neues, weiterentwickeltes Auto mit mehr Features und besserer Leistung zu einem Premiumpreis auf den Markt kommt.

Durch diesen Trend wird es für Unternehmen zusehends uninteressanter und schlicht unrentabel. die neuesten Medikamente, in die viel Forschung geflossen ist, auf den österreichischen Markt zu bringen. Somit benachteiligt das österreichische System die PatientInnen in Österreich im Vergleich zum internationalen Umfeld.

Was schätzen Sie am österreichischen System?

Grundsätzlich besteht in Österreich ein niederschwelliger und flächendeckender Zugang zu Medikamenten und Gesundheitseinrichtungen im Allgemeinen. Das sehr eigenwillige, duale Finanzierungssystem (Spitals- versus niedergelassener Bereich) hemmt jedoch einerseits ernsthafte Reformen sowie Einsparungen und macht andererseits PatientInnen oft zum Spielball der Gesundheitspolitik.

Können Sie über ein Beispiel aus Ihrem unmittelbaren Bereich berichten, das sinnbildlich für Ihre Einschätzung stehen kann?

Am Beispiel der Raucherentwöhnung wird das anschaulich. Medikamente zur Raucherentwöhnung sind kategorisch von der Rückerstattung im niedergelassenen Bereich ausgeschlossen (Negativliste). Die Einsparungen, die sich durch weniger Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Lungenkarzinome für das Gesundheitssystem durch Rauchentwöhnung ergeben würden, kämen vor allem dem Spitalsektor zugute. Warum soll also der niedergelassene Bereich Rauchentwöhnung bezahlen, wenn dieser Bereich finanziell dann nicht von den geringeren Folgekosten profitiert?

Ein weiterer Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist die Ermöglichung der Heimtherapie für PatientInnen mit chronischen Erkrankungen, die z.B. regelmäßig Infusionen erhalten müssen. Da diese Medikamente oft hochpreisig sind, wird es PatientInnen praktisch unmöglich gemacht, Heiminfusionen in Anspruch zu nehmen. Für das Gesundheitssystem im Allgemeinen ist jeder Patient im Spital teurer als in der Heimtherapie, vom Lebensqualitätsgewinn durch Heimtherapie für diese PatientInnen ganz zu schweigen. Dennoch besteht kein übergeordnetes politisches Interesse, flächendeckend Heiminfusionstherapie für PatientInnen zu ermöglichen. Hier werden chronisch kranke Menschen zum Spielball der Parteien, allein bedingt durch das duale Finanzierungssystem. Dieses Vorgehen spiegelt sicher nicht „das beste Gesundheitssystem der Welt“ wider.

Was müsste getan werden, damit die Versorgung heimischer PatientInnen mit innovativen Arzneimitteln für die Zukunft sichergestellt ist?

Ganz einfach: Wir müssen den Forschungsstandort sicherstellen, den Zugang zu innovativen Produkten früh in der PatientInnengeschichte ermöglichen, unser juristisches Regelwerk, das in die Jahre gekommen ist, überdenken und endlich einen holistischeren breiteren Blick bekommen. Was wollen wir wie im Gesundheitswesen einsetzen – entweder als Sach- oder als Geldleistung, um Folgekosten zu senken? Den PatientInnen die richtige Therapie zum richtigen Zeitpunkt zu ermöglichen und unnötige Bürokratie für ausgerissene Einzelfälle abzubauen, um schließlich Patientennutzen als Regelverwendung für jede/n BürgerIn zu jedem Zeitpunkt ihres/seines Lebens sicherzustellen, wäre mal ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Kernproblem zur Verbesserung der Versorgung wäre eine verbesserte Nutzenbewertung, in der der Patientennutzen – über welche Mittel auch immer belegbar – die Hauptrolle spielt. Preisgestaltungsmechanismen sollten wir ins 21. Jahrhundert tragen und von einfachen Rabattkaskaden oder befristeten Regularien entkoppeln – hin zu modernen Regelwerken, wo auch neue Kategorien geschaffen werden könnten wie z.B. Nanosimilars. (Nanosimilars sind eine besondere Form von non-biological complex drugs (NBCD), deren Design darauf abzielt, einen verbesserten Zugang des Medikaments zu den Zielzellen zu erreichen.)

Über Vifor Pharma

Die Vifor Pharma Gruppe ist ein globales Pharmaunternehmen mit 2.400 MitarbeiterInnen weltweit. Vifor Pharma verfügt über eine wachsende globale Präsenz mit Produktionsstandorten in der Schweiz und Portugal sowie einem umfassenden Netzwerk von Tochtergesellschaften und Vertriebspartnern. Vifor Pharma Österreich GmbH ist eine Tochtergesellschaft der Vifor Pharma Gruppe, die pharmazeutische Produkte in Österreich vertreibt.

Wir konzentrieren uns auf drei Geschäftsbereiche: Eisenmangel-Therapien, nephrologische und kardio-renale Erkrankungen. Als Wegbereiter auf dem Gebiet der Eisenmangeltherapien verfügen wir über ein starkes wissenschaftliches, regulatorisches und kommerzielles Know-how. In der Zukunft wollen wir uns noch stärker der Nephrologie widmen. Vifor Pharma etabliert sich in der Nephrologie als Partnerin der Wahl und schließt die Lücke zwischen medizinischem Bedarf und Angebot für die PatientInnen. Mit unserem wachsenden und innovativen Nephrologie-Portfolio tragen wir dazu bei, bei PatientInnen mit chronischer Niereninsuffizienz die Nierenfunktion zu erhalten, Komplikationen zu beherrschen und die Lebensqualität zu verbessern.

www.viforpharma.at