FOPI.flash Mai 2024

In dieser Ausgabe

analysis-2030261 (Konstantin Kolosov auf Pixabay)
© freepik

Editorial

Das Gesundheitssystem baut auf Vertrauen

Für das Funktionieren des Gesundheitssystems ist eines elementar: Vertrauen. Das wurde durch die Entwicklungen der letzten Monate im Umkehrschluss besonders augenscheinlich – und das wurde auch beim Austrian Health Forum 2024 verdeutlicht, dem wir in dieser Ausgabe des FOPI.flash einen Schwerpunkt widmen. Wenn die österreichischen Bürger:innen kein Vertrauen darin haben können, mit ihren gesundheitlichen Bedürfnissen von der öffentlichen Hand aufgefangen zu werden, erschüttert das die Grundfesten unserer Gesellschaft. Und wenn man sich als Player im Gesundheitswesen nicht darauf verlassen kann, dass alle bestrebt sind, die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten, ist man auf verlorenem Posten. Deshalb sollten wir alle – von den politisch Verantwortlichen über die Entscheidungsträger:innen in den Behörden und Institutionen, die Ärzt:innen, Apotheker:innen und Pfleger:innen bis hin zur Industrie – das Vertrauen ins österreichische Gesundheitssystem festigen.

Die Menschen müssen darauf vertrauen können, einen einheitlichen Zugang zu innovativen Therapien zu haben, unabhängig von Einkommen und Wohnort. Nur das entspricht unserem Demokratieverständnis in Österreich.

Um das zu erreichen, müssen alle Beteiligten im Gesundheitssystem auf stabile Prozesse bauen können. Das wurde gerade erst an den aktuellen Beispielen Bewertungsboard und EU-HTA besonders klar. Noch sind bei vielen Stakeholdern viele Fragen dazu offen, wie Empfehlungen im Board getroffen werden, welche Präparate geprüft werden und welche Implikationen das für die heimischen Ärzt:innen und Patient:innen hat. Ebenso ist für viele Verantwortlichen unklar, wie die Assessments für die neue europäische Nutzenbewertung national bewältigt werden sollen. In beiden Fällen braucht es transparente Prozesse, die eine unverrückbare Basis bilden.

Dann können die Mitwirkenden im Gesundheitssystem daran arbeiten, die heimischen Patient:innen optimal zu betreuen – entlang ihrer sogenannten Patient Journey. Das beginnt bei der Stärkung der Gesundheitskompetenz der Österreicher:innen. Das geht weiter über die Lenkung im Fall eines gesundheitlichen Problems an die jeweils bestgeeignete Stelle – sei es an niedergelassene:r Ärzt:in, Primärversorgungszentrum oder Spitalsambulanz. Und das endet darin, die jeweils besten und sinnvollsten Behandlungen auf dem letzten Stand der Wissenschaft bereitzustellen – und so das Vertrauen in die bestmögliche Versorgung wiederherzustellen.

Vertrauen sollte also im Zentrum unserer Arbeit stehen.

Julia Guizani, Amaya Echevarria und Leif Moll
Präsidium des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI)

© Ben Kaulfus

Insights

AHF 2024 – Themen der Zukunft & Antworten des FOPI

Beim Austrian Health Forum in Schladming wurden auch dieses Jahr die brennenden Themen des Gesundheitswesens diskutiert – und dann als „Community-Manifest“ stellvertretend an Bundesminister Johannes Rauch übergeben. Eine gute Gelegenheit auch einen Blick auf die Aktivitäten vom FOPI zu werfen: Finden sich die Themen, die wir in unserer Arbeit als zukunftsrelevant identifiziert haben, auch in diesem Forderungskatalog an die nächste Bundesregierung? Sind wir als forschende Pharmaindustrie am richtigen Weg, um das österreichische Gesundheitssystem fit für zukünftige Herausforderungen zu machen? Die Antworten darauf lesen Sie hier!

Es war eines der Highlights des AHF – als der Forderungskatalog, das „Manifest der Zukunft“ – an Bundesminister Johannes Rauch übergeben wurde. In den Tagen davor gab es die Möglichkeit, Forderungen einzumelden – 560 kamen in Summe zusammen – welche dann geclustert und von den Kongressteilnehmer:innen priorisiert wurden (Katzmair /FASresearch/AHF). 12 Cluster waren es gesamt, wir haben daraus die für uns relevantesten für den Vergleich ausgewählt:

Als wichtigste Forderung aus der AHF-Community wurde „Prävention & Gesundheitsförderung“ identifiziert. Konkret soll der Ausbau von personalisierten Präventions- und Gesundheitsförderungsprogrammen sowie die Impfbereitschaft gestärkt werden.
Was tut das FOPI in diesem Bereich? Einer der aktuellen Schwerpunkte in der Arbeit des FOPI liegt darin, den Wert von Innovation auch für Patient:innen verständlich und sichtbar zu machen. Wir klären auf und informieren, sowohl Betroffene als auch Stakeholder und Entscheider:innen. Wir setzen uns dafür ein, dass der Wert von Prävention erkannt und damit angewandt wird. Hören Sie dazu etwa die Podcast-Episode „Prävention versus Reparaturmedizin“ oder lesen Sie die Blogbeiträge „Prävention in Österreich: In die Zukunft investieren“ sowie „Mit Prävention menschliches Leid und Gesundheitskosten vermeiden“.

„Integrierte, zielgenaue und niederschwellige Versorgung“ ist eine weitere wesentliche Forderung: Entlastung der Spitäler durch Stärkung der integrierten Primärversorgung sowie niederschwelligere Angebote von Versorgung.
Was tut das FOPI hier? Die innovativen Arzneimittel und Therapien unserer Industrie erlauben beispielweise die medikamentöse Versorgung von Erkrankten extramural bei den betreuenden Ärzt:innen anstelle eines teuren stationären Aufenthalts im Krankenhaus; ganz aktuell zogen wir dazu im Mai gemeinsam mit der AGES Bilanz über die neu zugelassenen Innovationen. Das heißt, wir bringen Lösungen für genau diesen Anspruch. Darüber informieren wir und bringen konkrete Beispiele in unseren Podcasts, beauftragen Studien der beiden FOPI-Workstreams „Value to Patients“ und „Value to Society“, um genau diesen Mehrwert für die Gesellschaft mit Zahlen zu untermauern. Und wir zeigen auf, wo die Versorgung noch verbessert werden kann – wo die Wartezeiten von Therapien zum Beispiel länger sind als in anderen Ländern, um hier für die Patient:innen etwas zu bewegen. Eine tiefgehende Analyse wird das FOPI im Herbst präsentieren. 

Health Literacy, also die Förderung der Gesundheitskompetenz durch Bildungseinheiten und Verbesserung des Zugangs zu gesicherten Gesundheitsinformationen und der/die beteiligte & orientierte Patient:in als stärkere Einbindung der Patient:innen, Patient:innen-Organisationen und Angehörigen in alle Entscheidungsprozesse sind weitere Forderungen.
Hat das FOPI hier eine Aufgabe? Eindeutig – beides sind Herzensangelegenheiten des FOPI, die sich in unseren Arbeitsgruppen „Value to Patients“ und „Patient Advocacy“ (gemeinsam mit der PHARMIG) wiederfinden. Wir arbeiten eng mit Patient:innen-Organisationen zusammen, schätzen die Sicht von Betroffenen zur Verbesserung unserer Forschung und setzten Projekte wie den „Kompakten Kompass durch Patient:innenrechte“ um. Nur gemeinsam mit bewussten, beteiligten und informierten Patient:innen schaffen wir es, Österreich langfristig gesünder zu machen. Die passende Podcast-Episode „Patientenrechte – die Blackbox des Gesundheitswesens?“ und der Blogbeitrag „Angewandte Patientenrechte“ bieten Einblick.

Die Schaffung eines einheitlichen österreichischen Datenraums, der die Grenzen von Institutionen überschreitet und die gesamte Patient:innenreise abbildet, sowie die Weiterverfolgung einer E-Health-Strategie und der Ausbau von KI sind Bereiche, wo viel Engagement stattfindet.
Und was macht das FOPI? Wir setzen uns in unserem regelmäßigen Austausch mit Stakeholdern, wie zum Beispiel bei der neu gegründeten Engagement Plattform in den Bundesländern am Rande österreichweiter Kongresse des Gesundheitswesens oder unseren etablierten Business Breakfasts, für die vermehrte Nutzung von Gesundheitsdaten ein. Vor allem aber sind die Mitgliedsunternehmen des FOPI intensiv damit befasst, Big Data und Künstliche Intelligenz in Forschung, Diagnose und Produktion zu integrieren, um die Entwicklung innovativer Therapie zu beschleunigen und zu verbessern – wie im Podcast „Keine Frage an ChatGPT: Bringt KI bessere medizinische Betreuung für Patient:innen?“ oder im Blogbeitrag „Data Science in der pharmazeutischen Industrie“ beleuchtet wird.

Zusammenfassend zeigt der Vergleich: Die im FOPI vereinten forschenden Pharmaunternehmen arbeiten bereits intensiv an den Themen, die beim AHF als zukunftsrelevant eingestuft wurden, und sind damit am Puls der Zeit. Das bestärkt uns, weiter das zu tun, was wir gut können: Mit innovativen Lösungen in der Forschung und im System an der Gesundheit in Österreich zu arbeiten.

© FOPI

Zahl des Monats

65 %

der 2023 zentral zugelassenen 34 Innovationen sind per 31.3.2024 in Österreich gesichert verfügbar – das heißt, entweder im Warenverzeichnis eingetragen oder mit registrierten Umsätzen (IQVIA) nachweisbar. Das hat eine vom FOPI in Auftrag gegebene Analyse ergeben. Für das restliche Drittel der neuen Therapien ist noch keine Beobachtung möglich, wobei das nicht bedeutet, dass diese Präparate nicht verfügbar sind, etwa bei sehr seltenen Erkrankungen durch Direktimport.

© accelent/Theo Hertenberger

Podcast

Am Mikro|skop: Ein Bärendienst der EU-Kommission?

Die EU-Kommission plant im Zuge der EU-Pharmagesetzgebung den behördlichen Datenschutz auf Studiendaten deutlich zu verkürzen. Nachahmer könnten damit früher auf Studiendaten zugreifen und die mit hohen Investitionen erforschten Innovationen billiger produzieren. Was auf den ersten Blick positiv für die Budgets der Gesundheitssysteme klingt, ruft jedoch Kritiker:innen auf den Plan. Sie befürchten nachhaltig negative Auswirkungen auf die Forschung und einen Rückgang bei neuen Medikamenten. Erweist die EU-Kommission den europäischen Patient:innen also einen Bärendienst? Darüber spricht Moderatorin Martina Rupp in der 28. Episode von „Am Mikro|skop“ mit Francine Brogyányi (Managing Partnerin bei DORDA Rechtsanwälte und Leiterin der Health & Life Science Group) sowie Elisabeth Keil (Geschäftsführerin Daiichi Sankyo Austria).

Diese und alle anderen Episoden des – gemeinsam mit dem Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und Chemiereport/Austrian Life Sciences produzierten – Podcasts finden Sie hier: www.chemiereport.at/am-mikroskop

Diese Folge wird von Daiichi Sankyo unterstützt.

© Elena Tondi

Im Gespräch

Tatiana Tousi: Zusammenarbeit im Interesse der Patient:innen

Wie können wir mit den wichtigsten Akteur:innen innerhalb des komplexen Gesundheitssystems kooperieren, um den Zugang und die Kostenerstattung für neue Arzneimittel in einer Weise zu sichern, die sowohl den Wert der Innovation widerspiegelt als auch gerecht und vorteilhaft für die Gesellschaft und das Budget ist? Das fragt sich Tatiana Tousi, seit März Geschäftsführerin von GSK in Österreich, im Interview mit FOPI.flash.

Sie sind erst seit März 2024 als neue Geschäftsführerin von GSK in Österreich. Dennoch haben Sie sich rasch für die Interessensvertretung der Branche engagiert. Was motiviert Sie, gemeinsam mit anderen die Stimme zu erheben?

GSK ist ein innovatives Bio-Pharma-Unternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, Wissenschaft, Technologie und Talent zu vereinen, um Krankheiten einen Schritt voraus zu sein und die Gesundheit von 2,5 Milliarden Menschen weltweit bis zum Ende des Jahrzehnts positiv zu beeinflussen. Wir investieren in erheblichem Umfang in vier therapeutische Kernbereiche: Infektionskrankheiten, HIV, Atemwegserkrankungen/Immunologie und Onkologie und streben danach, Patient:innen und Gesundheitssystemen Lösungen anzubieten, die das gesamte Spektrum von der Prävention bis zur Behandlung abdecken. Im Bereich der innovativen Biopharmazie hat jedes Unternehmen ein spezifisch formuliertes Leitbild, dennoch haben wir grundsätzlich alle das gleiche Ziel und die gleiche Motivation: neue und innovative Medikamente und/oder Impfstoffe zu erforschen, zu entwickeln und den Patient:innen zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen. Daher können und sollten wir zusammenarbeiten, wenn es darum geht, das Bewusstsein für Krankheiten zu schärfen, die jetzt verhindert oder behandelt werden können, und für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wert dieser Maßnahmen im Rahmen der nationalen Gesundheitssysteme und -budgets einzutreten.

Sie waren zuletzt bei GSK auf globaler Ebene für Strategie, Preisgestaltung & Marktzugang verantwortlich. Wie nehmen Sie vor dem Hintergrund dieser Insights das österreichische Gesundheitssystem wahr?

Es ist sehr spannend, in Österreich zu arbeiten, denn das regulatorische Umfeld ist innovationsfreundlich, und wir erhalten schnelle Zulassungen durch die EMA. Das ist großartig – sowohl für Patient:innen als auch für Behandlungsteams, die sich um sie kümmern. Ich bin beeindruckt und ermutigt von der großen Anzahl an hervorragenden Wissenschaftler:innen und Meinungsführer:innen in Österreich und der insgesamt hohen Qualität der Gesundheitsversorgung!

Der Schwerpunkt verlagert sich schnell auf die Frage, wie wir mit den wichtigsten Akteur:innen innerhalb des komplexen Systems zusammenarbeiten können, um den Zugang und die Kostenerstattung für neue Produkte in einer Weise zu sichern, die sowohl den Wert der Innovation widerspiegelt als auch gerecht und vorteilhaft für die Gesellschaft und das Budget ist. Es gibt viele Möglichkeiten, in Österreich etwas zu bewirken, und dies erfordert Arbeit und eine effektive Zusammenarbeit zwischen dem Bund, den Ländern und der Sozialversicherung, damit wir uns gemeinsam um die Strategien und die Finanzierung bemühen können, die für die österreichischen Patient:innen am vorteilhaftesten sind.

Wo sehen Sie Stärken, aber auch Schwächen?

Die Qualität, das hohe Ausbildungsniveau und die Bereitschaft, Innovationen zu übernehmen, sind sicher Stärken. Es ist sehr spannend, sich mit den medizinischen Fachleuten zu unterhalten, wenn man die Gelegenheit hat, sich auf Kongressen und anderen Foren auszutauschen. Die Hürden, die wir überwinden müssen, sind vielschichtig. Alle Länder in Europa stehen zunehmend unter Budgetdruck. Außerdem zeigen sich teils spezifische Herausforderungen je nach Therapiebereich bzw. Krankheit, da sie teils für den Behandlungspfad von Patient:innen einzigartig sein können. Ein Beispiel in Österreich sind etwa Erwachsenenimpfungen, da es für diese sowohl in Bezug auf den Zugang und die Kostenerstattung als auch die verfügbaren Impfstellen noch keine etablierte Lösung gibt. Eine Verbesserung dieser Aspekte könnte erhebliche Vorteile für das Gesundheitssystem mit sich bringen.  

GSK ist besonders in den Bereichen Atemwegserkrankungen, Immunologie und Infektionskrankheiten stark – Bereiche, wo die Prävention große Bedeutung hat. Präventive Strukturen sind aber gerade in Österreich weniger stark ausgeprägt als in anderen Ländern, und es wird weniger als anderswo für die Vorsorge ausgegeben. Wo sollte man da ansetzen?

Vorbeugung ist die beste Medizin, und angesichts des demografischen Wandels – in Österreich sind 2,7 Millionen Menschen über 60 Jahre alt – ist sie eine der wertvollsten und effizientesten Maßnahmen, die ergriffen werden können, um ein gesundes Altern zu fördern und den Druck auf das Gesundheitssystem zu verringern. Laut dem jüngsten Bericht des „Office of Health Economics“ können Impfungen für Erwachsene der Gesellschaft bis zum 19-fachen ihrer ursprünglichen Investition zurückgeben, wenn man ihren gesamten Nutzen berücksichtigt. Dies wird jedoch noch nicht anerkannt, und wir haben keinen einheitlichen und finanzierten Impfplan für Erwachsene, wie wir ihn großteils für die Pädiatrie haben.

Heute verfügen wir mehr denn je über Impfstoffe, die lebensbedrohliche und/oder beeinträchtigende Krankheiten wie RSV-, Herpes Zoster- und Pneumokokken-Erkrankungen verhindern können und ein gesundes Altern unterstützen. Jüngste Studien zeigen, dass die Prävention einer Herpes-Zoster-Infektion mit einem geringeren Demenzrisiko einhergeht – dennoch sind der Zugang und die Finanzierung nach wie vor nicht gelöst. Und schließlich sind wir überzeugt von dem breiteren Konzept der Prävention, das sich nicht auf Impfungen beschränkt. Wenn wir an Produkte denken, die z. B. Asthma- und COPD-Exazerbationen vorbeugen, oder die HIV nicht nachweisbar und damit nicht übertragbar machen, und die in länger wirkenden Formulierungen verfügbar werden, dann sprechen wir über Maßnahmen, die die schwerwiegendsten Krankheitsbilder bei verschiedenen Patientenpopulationen verhindern können.

Über GSK:

GSK ist ein globales Biopharma-Unternehmen, das Wissenschaft, Technologie und Talent vereint, um Krankheiten gemeinsam einen Schritt voraus zu sein. Erfahren Sie mehr unter www.gsk.com/about-us 

Für medizinischen Rat konsultieren Sie bitte Ihre Ärztin/Ihren Arzt.