FOPI.flash Juli 2023

In dieser Ausgabe

Editorial

Der Gender Health Gap ist (noch) real

Die Gleichstellung von Frauen ist im Gesundheitssektor – wie in vielen anderen Bereichen – unverändert weit weg vom Ideal. Das betrifft die Arbeitnehmer:innen-Struktur zahlreicher Unternehmen, wiewohl die Pharmaindustrie besser dasteht als andere Branchen. (Lesen Sie dazu gleich den nächsten Artikel!)

Noch mehr ist dies aber in der Gesundheitsversorgung von Frauen kritisch zu betrachten. „Wäre Endometriose eine Männerkrankheit, wüsstet ihr genau, was das ist“, sagt Wissenschaftsjournalistin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim. Stattdessen ist diese Unterleibserkrankung für viele Menschen eine große Unbekannte. Es ist ein Beispiel von vielen, das verdeutlicht, wie riesig der „Gender Health Gap“ noch immer ist. Die Folge dieser „Lücke“ in Medizin und Gesundheitswesen: Menschen, die nicht in das Raster von „männlich, weiß, cisgender“ passen, erhalten oftmals eine schlechtere gesundheitliche Versorgung. Frauen bekommen etwa die Diagnose Herzinsuffizienz 6-mal später als Männer, und sie werden doppelt so oft falsch diagnostiziert. Ähnliches gilt für den Herzinfarkt: Männer erleiden ihn häufiger, Frauen haben das größere Sterberisiko. Denn bei weiblichen Personen dauert es rund eine Stunde länger, bis sie in die Notaufnahme kommen. Das ist ein unhaltbarer Zustand, der in der Reform des Gesundheitswesens adressiert werden muss. Wir werden uns jedenfalls für mehr Gesundheitsgerechtigkeit einsetzen.

Doch so wichtig uns dieses Thema ist, auch wir im FOPI verabsäumen so manchmal, Frauen die angemessene Anerkennung zukommen zu lassen. Nicht zuletzt haben wir in der letzten Ausgabe des FOPI.flash vergessen zu erwähnen, dass bereits in den ersten Jahren des Verbands zwei Frauen an der Spitze standen, nämlich Sabine Thomsen (von April bis Dezember 2010) und Evelyn Schödl (von Jänner 2011 bis Dezember 2012). Wir holen das deshalb mit großer Zerknirschung und gleichzeitig großem Stolz nach!

Julia Guizani, Anthea Cherednichenko und Michael Kreppel-Friedbichler
Präsidium des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI)

© Freepik

Position

Frauen in der forschenden Pharmaindustrie

Die Gleichstellung von Frauen wird von den meisten modernen Betrieben als Grundprinzip betont. Tatsächlich besteht aber quer durch alle Branchen großer Nachholbedarf. Als forschende – und damit zukunftsorientierte – Unternehmen zeigen die FOPI-Mitgliedsfirmen besonderes Engagement in der Veränderung der Strukturen, und auch in den Gremien des FOPI sind Frauen stark vertreten – seit kurzem erneut mit einer weiblichen Präsidentin.

Diversity ist eines der Top-Themen in den meisten Wirtschaftszweigen. Eine Mehrzahl der international geprägten Konzerne, aber auch mehr und mehr mittelständische Unternehmen streben Belegschaften an, die in Ihrer Zusammensetzung stärker die ganze Vielfalt der jeweiligen Gesamtbevölkerung repräsentieren. Dabei liegt der Fokus oft auf dem Anteil von Frauen in Führungspositionen – ein sehr gutes sicht- und messbares Kriterium.

Insgesamt schneidet die österreichische Wirtschaft branchenübergreifend laut einer Statista-Erhebung aus dem Jahr 2022 mit einem Frauenanteil von knapp 34 % in den Chefetagen sehr bescheiden ab. Länder wie Lettland und Schweden können im Gegensatz dazu mit Quoten von deutlich über 40 % punkten. Die Pharmaindustrie hebt sich demgegenüber positiv ab: Aktuell werden 10 von insgesamt 23 FOPI-Mitgliedsunternehmen von einer Frau geführt. Das entspricht immerhin 43 %. Der Anteil weiblicher Mitarbeiterinnen liegt laut einer FOPI-internen Umfrage aus 2021 bei durchschnittlich 63 %.

„Damit dürfen wir uns freilich nicht zufriedengeben“, betont Julia Guizani, neue Präsident des FOPI. „Es braucht die zahlreichen, sehr konkreten Programme der einzelnen Unternehmen, mit denen Frauen in ihrem Berufsweg gestärkt und unterstützt werden. Erst wenn tatsächlich eine Gleichstellung erreicht wurde, können wir aufhören, das Thema zu besetzen. Daran arbeiten wir in der Überzeugung, dass dies gleichermaßen eine Verantwortung von Frauen und Männern ist.“

Gedanken von FOPI-Frauen zu weiblichem Empowerment

Diesen Frauen wollen wir eine Bühne bieten:

„Was kann ich anderen Frauen mitgeben? Wir sind noch nicht am Ziel. Aber im Gegensatz zu anderen Branchen ist die Pharmaindustrie mit über 60 % Frauenanteil bereits viel weiblicher. Und sie ist auch so vielseitig wie kaum eine andere: von nationaler bis internationaler Karriere, von naturwissenschaftlichen bis wirtschaftlichen Bereichen. Jede und jeder kann alles werden!“
Julia Guizani, Präsidentin des FOPI seit Juni 2023

„Aus meiner Sicht ist es für Frauen am wichtigsten authentisch zu bleiben, an sich und seine eigenen Fähigkeiten zu glauben. Seine Stärken kennen zu lernen und auf diese Kompetenzen zu vertrauen, um Ziele zu erreichen. Ich finde es wesentlich, sich nicht durch eigene Zweifel einschränken zu lassen und ambitioniert die Umsetzung voranzutreiben.“
Monika Beck, Vizepräsidentin des FOPI von Dezember 2018 bis Juli 2021

„Die Gleichstellung der Geschlechter ist für mich von zentraler Bedeutung: Denn letztlich wollen wir die besten Talente anziehen, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder kulturellem Hintergrund.“
Tuba Albayrak, Vizepräsidentin des FOPI von Jänner 2020 bis Februar 2022

„I have been fortunate to be mentored by a number of amazing and inspiring leaders over the years – I look to those women who couple strength with authenticity, vision with vulnerability and who activity lift other women up.  Everyday, I am inspired by my colleagues here in Austria.  Women who manage so much at home and still find the passion for what we do to bring so much energy to work, for their colleagues and our patients. This is inspiring.“
Anthea Cherednichenko, Vizepräsidentin des FOPI seit Februar 2022

„Die forschende Pharmaindustrie bietet Frauen eine Vielzahl von Chancen. In den letzten Jahren hat die Branche Fortschritte bei der Förderung der Geschlechtervielfalt und der Gleichstellung gemacht. Dadurch ergeben sich für Frauen mehr Möglichkeiten, in verschiedenen Bereichen der Pharmaindustrie tätig zu sein, einschließlich Forschung, Entwicklung, klinische Studien, Marketing, Vertrieb und Management.“
Bettina Resl, Generalsekretärin des FOPI von November 2020 bis März 2021

„Ganz nach dem Motto ‚Lifting up each other’ halte ich es für unverzichtbar, dass sich Frauen auf ihrem Karriereweg gegenseitig unterstützen, Gelerntes teilen und füreinander einstehen.“
Ines Vancata, Generalsekretärin des FOPI seit März 2021

„Die forschende Pharmaindustrie bietet vielfältige Karrieremöglichkeiten in einem modernen Arbeitsumfeld – je nach Standort und Flexibilität. Ich empfehle allen Frauen klar auszusprechen, in welche berufliche Richtung sie gehen wollen, und alle Netzwerkmöglichkeiten zu nutzen.“
Cornelia Moser, stv. Generalsekretärin des FOPI seit März 2021




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Zahl des Monats

Fast 90 %

der derzeit in der EU zugelassenen Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMPs) – darunter alle sieben Gentherapien für seltene genetische Krankheiten – wären unter den Bedingungen der – von der EU für 2025 geplanten – gemeinsamen klinischen Bewertung (Joint Clinical Assessment, JCA) abgelehnt worden. Zu diesem Schluss kam vor kurzem die NGO „Alliance for Regenerative Medicine“ (ARM). Die ARM überprüfte dazu die 18 ATMPs mit EU-Zulassung, darunter Zell- und Gentherapien für schwere, manchmal tödliche genetische Krankheiten und Blutkrebs. Die vom EUnetHTA-21-Konsortium zur Prüfung durch die HTA-Koordinierungsgruppe vorgeschlagenen Methoden hätten 16 dieser ATMPs abgewiesen, weil die langfristige Wirksamkeit bei der Markteinführung nicht nachgewiesen werden konnte, sie nicht in randomisierten Kontrollstudien (RCTs) untersucht wurden oder beides. Die NGO sieht dies als massives Risiko für Patient:innen mit seltenen Erkrankungen und fordert, dass die vom EUnetHTA-21-Konsortium vorgeschlagenen JCA-Methoden hinterfragt werden. Lesen Sie mehr!

Quelle: Alliance for Regenerative Medicine, Juni 2023 


Neue Website

FOPI bezieht Position

Das FOPI steht für Innovation, setzt sich für ein zukunftsgerechtes Gesundheitssystem ein und zeigt den Wert der forschenden Industrie auf. Und so ist auch die neue FOPI-Website: Innovativ, klar, modern und inhaltlich fundiert mit vielen wertvollen Beiträgen von externen und internen Expert:innen. Weitreichende Such- und Filtertools liefern außerdem die relevanten Positionen auf Knopfdruck. Sehen Sie selbst! www.fopi.at


© Günter Freund

Blog

Data Science in der pharmazeutischen Industrie

Data Science in Health ist ein faszinierendes Thema, mit dem sich mittlerweile alle Player im Gesundheitssystem befassen. Doch welchen Einfluss hat Data Science auf die pharmazeutische Industrie? Data Science hat in den letzten Jahren eine Schlüsselrolle in zahlreichen Branchen gespielt, doch in der Pharmazie hat es eine ganz besondere Bedeutung erlangt. Von der beschleunigten Wirkstoffentdeckung bis hin zur personalisierten Medizin – Data Science verändert die Spielregeln in der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung, analysiert Bettina Resl, Head Public Affairs bei Novartis Österreich. Lesen Sie mehr im neuen FOPI.Blog!


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Lebensverändernde Therapien

Innovationen für Multiple Sklerose

Pro Jahr erhalten etwa 450 Menschen in Österreich die Diagnose Multiple Sklerose (MS). Insgesamt gibt es hierzulande rund 14.000 Betroffene dieser heimtückischen Erkrankung. MS ist eine chronische Entzündung des Nervensystems. Es werden dabei Nerven-Strukturen zerstört, was unterschiedlichste Symptome nach sich zieht. Die Erkrankung verläuft oft in Schüben und ist nicht heilbar. MS ist noch immer der häufigste Grund für bleibende Behinderungen bei Jüngeren. Wenn die MS nicht frühzeitig wirksam bekämpft wird, kann das später nicht mehr nachgeholt werden. Genau hier setzen neue Therapien zur Behandlung der schubförmigen MS an: Diese sind deutlich wirksamer als ältere Medikamente, gut verträglich sowie sicher und sehr einfach in der Handhabung für die Patient:innen. Ein erfülltes, selbstbestimmtes Leben mit Multiple Sklerose ist damit heute definitiv möglich. Mehr dazu unter https://fopi.at/wir-sagen-danke/