FOPI.flash Juni 2023
In dieser Ausgabe
- Editorial: Im Interesse aller
- Neue Präsidentin des FOPI: Julia Guizani übernimmt Vorsitz
- Im Gespräch: Julia Guizani – Kooperation, Kontinuität und Realisierung
- Zahl des Monats: Eines von fünf
- Podcast: Bringt KI bessere medizinische Betreuung für Patient:innen?
- Blog: Ist Gutes wollen auch Gutes tun?
- Lebensverändernde Therapien: Innovationen für Melanome
Editorial
Im Interesse aller
Die europäische und damit auch die österreichische Pharmaindustrie stehen vor einschneidenden Veränderungen. Vor allem die in Diskussion stehende EU-Pharmagesetzgebung könnte – entgegen der eigentlichen Intention – nachteilige Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen haben. Anstelle den Zugang zu innovativen Therapien für die heimischen Patient:innen zu beschleunigen und zu verbessern, könnte das Gegenteil der Fall sein. Europa droht bei der Entwicklung innovativer Medikamente den Anschluss gegenüber den USA und China zu verlieren, wie auch die Zahl des Monats zeigt. Beschneidungen im Patentschutz sowie zeitliche Vorgaben für den uniformen Markteintritt ohne Berücksichtigung lokaler Strukturen und Prozesse dienen nicht dem Vorhaben einer zukunftsgerichteten, innovationsfreundlichen und auch wettbewerbsfähigen Pharmastrategie. Mehr auch im aktuellen Blog von Doris Schernhammer.
Deshalb werden wir als forschende Pharmaunternehmen diese Zusammenhänge verstärkt aufzeigen und im Dialog mit den österreichischen Stakeholdern des Gesundheitswesens an gemeinsamen Standpunkten arbeiten. Denn eine Stärkung der europäischen Industrie ist im Interesse aller. Nicht zuletzt der Patientinnen und Patienten. Dafür haben wir – und das freut uns sehr – mit der neuen FOPI-Präsidentin Julia Guizani eine prononcierte und gleichzeitig konsensorientierte Stimme gewonnen. Über ihren Zugang zu den Herausforderungen lesen Sie im Interview mit ihr!
Anthea Cherednichenko und Michael Kreppel-Friedbichler
Präsidium des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI)
© Zsolt Marton
Neue Präsidentin des FOPI
Julia Guizani übernimmt Vorsitz im Forum der forschenden Pharmaindustrie
Julia Guizani, Geschäftsführerin von Sanofi in Österreich, wurde mit 15. Juni 2023 von den forschenden Pharmaunternehmen zur Präsidentin des FOPI gewählt. Sie übernimmt diese Rolle als dritte Frau und wird die Zukunft des Gesundheitswesens in Österreich federführend mitgestalten, um den bestmöglichen Zugang zu Innovationen im Sinne der Patient:innen sicherzustellen.
Julia Guizani folgt damit Bernhard Ecker, der Mitte April das Amt des Präsidenten aus persönlichen Gründen nach zwei Jahren zurückgelegt hatte. Sie wird sich künftig vor allem für klare und vorhersehbare Rahmenbedingungen inklusive Patentschutz, für die Anerkennung des Werts der Industrie und ein gemeinsam entwickeltes Gesundheitssystem der Zukunft einsetzen.
„Als Präsidentin des FOPI werde ich mich unter anderem für einen klaren und berechenbaren regulatorischen Rahmen für die gesamte innovative Pharmabranche in Österreich stark machen. Denn im Interesse der Patientinnen und Patienten müssen wir auch hierzulande unseren Beitrag leisten, damit Europa weiterhin an der Spitze globaler Innovation steht“, so Guizani. „Unser österreichisches Gesundheitssystem befindet sich vor dringend nötigen Umbrüchen. Wesentlich dabei ist es, die Patientinnen und Patienten ins Zentrum dieser Transformation zu rücken: Reformen müssen sich an ihren Bedürfnissen orientieren sowie Innovation, klinische Forschung und Digitalisierung gestärkt werden.“
Zudem betont Guizani: „Es ehrt mich, schon als dritte weibliche Präsidentin des FOPI ein Signal zu setzen und den hohen Anteil von Frauen in der Pharmaindustrie zu repräsentieren. Letztlich arbeite ich jedoch in einem exzellenten Team, mit dem ich gemeinsam die Themen vorantreiben werde.“ Gemeinsam mit den Vizepräsident:innen Anthea Cherednichenko und Michael Kreppel-Friedbichler sowie der Generalsekretärin Ines Vancata wird Julia Guizani den Verband bis 2025 führen. (Ein ausführliches Interview mit Julia Guizani lesen Sie im nächsten Beitrag.
Erfahrene Pharmamanagerin
Julia Guizani ist eine erfahrene Pharmamanagerin und hat mit 1. Januar 2023 die Funktion als Geschäftsführerin bei Sanofi in Österreich übernommen. Sie treibt gerne Dinge voran und entwickelt sich und ihr Umfeld weiter. So hat sie während ihres MBAs in Ungarn und China studiert – gleichzeitig war von Anfang der Reiz für die Pharmabranche präsent. Entsprechend hat sie bereits viele Jahre in unterschiedlichen Marketing- und Führungspositionen bei renommierten Pharmakonzernen weltweit gearbeitet und bringt ihr breites Know-how jetzt in Österreich ein.
© Zsolt Marton
Im Gespräch
Julia Guizani: Kooperation, Kontinuität und Realisierung – dafür setze ich mich ein
Als neue FOPI-Präsidentin wird Julia Guizani die Diversität der Mitgliedsunternehmen nützen, um das geballte Wissen zu bündeln und für konkrete Lösungen zu kanalisieren. Sie sieht sich als Koordinatorin und zugleich starke Mitwirkende, die die Hand noch intensiver Richtung wichtiger Stakeholder ausstrecken wird. Welche Themen sie dabei in den Vordergrund stellt, verrät sie im Interview mit FOPI.flash.
Sie wurden vor kurzem zur neuen Präsidentin des FOPI gewählt. Was hat Sie bewogen, diese ehrenamtliche Funktion neben Ihrem ohnehin fordernden Job als Country Lead von Sanofi zu übernehmen?
Ich übernehme grundsätzlich gerne Verantwortung und treibe Dinge voran, besonders wenn sie mir am Herzen liegen. Im konkreten Fall muss es uns als forschender Pharmaindustrie ein Herzensanliegen sein, für den Zugang zu Innovationen einzutreten. Es gibt eine Reihe von Knackpunkten im österreichischen Gesundheitssystem, die vor allem die Patient:innen betreffen und die auch uns als Industrie nicht egal sein können. Deshalb freue ich mich, gleich die Chance zu bekommen, mich hier sinnstiftend einzubringen.
Sie sind erst seit Anfang 2023 in Österreich. Ist der noch „unverbrauchte“ Blick auf das heimische Gesundheitssystem Vorteil oder Nachteil?
Ich sehe das eindeutig als Vorteil. Natürlich bin ich im Hinblick auf das österreichische Gesundheitssystem noch „kein alter Hase“. Aber gerade dadurch sehe ich gewisse Zusammenhänge aus einer anderen Perspektive und ohne Konnotationen.
Außerdem bin ich keine Einzelkämpferin, sondern will die Kraft der Gruppe effizient nutzen. Das FOPI hat exzellente Vizepräsident:innen und sehr erfahrene Manager:innen in den Mitgliedsunternehmen, die alle einen unterschiedlichen „Footprint“ mitbringen. Diese Diversität ist in Kombination mit den gemeinsamen Standpunkten und dem vielen Wissen eine große Stärke.
Meine Aufgabe ist es, diese Stärken zu koordinieren und zu kanalisieren. Dann können wir gemeinsam viel erreichen.
Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Ich möchte auf der hervorragenden Basis aufbauen, die im Präsidium in den letzten Jahren geschaffen wurde. Das heißt, ich will die Agilität und Flexibilität, die das FOPI wirklich auszeichnet, unbedingt beibehalten und für Langfristigkeit sorgen.
Kontinuität ist vielleicht überhaupt ein gutes Stichwort: Ich habe den Anspruch, mich für längere Zeit zu engagieren, Themenschwerpunkte echt voranzubringen und eine langfristige Strategie aufzusetzen. Denn nicht alles geht von heute auf morgen. Dazu muss man sich committen.
Kernthema ist dabei der Zugang zu Innovation, für den man bei verschiedenen Aspekten ansetzen muss. Einerseits geht es um die Dauer von der Zulassung bis zur Verfügbarkeit für die Patient:innen. Andererseits müssen wir auch über den Wert von Medikamenten für die Patient:innen und Angehörigen sowie für die Gesellschaft reden. Auch jener Nutzen muss viel stärker sichtbar werden, den innovative Therapien für das Gesundheitssystem, für die Wirtschaft und letztlich für den Standort Österreich haben.
Diese Veränderungen werden wir nicht alleine schaffen. Das ist mir klar. Dazu muss in diesem komplexen Umfeld eine noch intensivere Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern gelingen. Ich sehe mich auch hier ganz stark in der Rolle als Koordinatorin und Umsetzerin, um das Profil des FOPI zu schärfen.
Was wollen Sie in den zwei Jahren Ihrer Amtsperiode verwirklicht haben?
Ich würde gerne eine langfristige, unverkennbare Vision entwickeln und zugleich ganz konkrete Projekte in die Umsetzung bringen. Auf den ersten Blick klingt das möglicherweise nach einem Widerspruch. Doch ich denke, es braucht diese Vision, die über das jetzige Präsidium und seine Ansätze hinauswirkt und die Richtung vorgibt. Auf dieser Basis können, ja sollten wir aktiv werden und echte Lösungen ausarbeiten.
Als neue Präsidentin des FOPI: Warum ist der Verband der forschenden Pharmaunternehmen unverzichtbar?
Weil kein anderer Interessensverband den Wert von Innovation so kompromisslos vertreten kann. Uns als Unternehmen der forschenden Pharmaindustrie verbindet dieser Fokus und wir kommunizieren mit großer Klarheit die Rolle von Forschung und Innovation für die Gesellschaft und den Standort.
Woran wird man Ihre Handschrift erkennen?
Ich bin „hands-on“ und hochinteressiert an Themen und Herausforderungen. Kurz, mir geht’s um die Sache und nicht um Titel oder Ämter. Deshalb will ich konkret etwas bewegen, andere dazu einladen und mitreißen sowie ein Commitment abgeben. Wenn man das spürt, dann ist das meine Handschrift.
Zahl des Monats
Eines von fünf
48 Prozent der neuen Therapien haben inzwischen ihren Ursprung in den USA, und nur 22 Prozent wurden oder werden in Europa entwickelt. Während in den 1990er Jahren die Hälfte aller neuen Medikamente aus Europa kamen, ist es heute also nur mehr eines von fünf Medikamenten. Das zeigt deutlich: Europa droht bei der Forschung und Entwicklung innovativer Therapien den Anschluss gegenüber den Global Playern USA und Asien zu verlieren.
Quelle: Pharma Review, EFPIA, Juni 2023
© APA accelent communications
Podcast
Am Mikro|skop: Bringt KI bessere medizinische Betreuung für Patient:innen?
Um das österreichische Gesundheitssystem fit für die Zukunft zu machen, muss man europäisch denken, man kann jedoch sehr wohl auch national handeln, meint der neue PHARMIG-Präsident Ingo Raimon. Er will sich daher dafür einsetzen, unser Land im europäischen Wettbewerb um Ressourcen als „Ort der Innovation“ zu platzieren. Außerdem fordert er im Interview mit FOPI.flash ein, bei allen Reformbestrebungen die Patient:innen ins Zentrum der Überlegungen zu stellen.
Künstliche Intelligenz ist in öffentlichen Diskussionen omnipräsent und wird teils hymnisch gefeiert, teils kritisch diskutiert. Welche Rolle spielt KI und ganz prinzipiell Digitalisierung im Gesundheitsbereich? Welche Potenziale in der Forschung, Diagnose und Produktion könnten vielleicht erschlossen werden? Welche Vorteile hätten Patient:innen dadurch? Welche Vorbehalte sind aber gleichzeitig begründet? Diese Fragen richtet Moderatorin Martina Rupp nicht an Chat-GPT, sondern diskutiert sie in der 20. Episode von Am Mikro|skop mit Dr. Patricia Wildberger, Head of Pharmaceutical Sciences Digital Transformation, Takeda Austria. Diese und alle anderen Episoden des – gemeinsam mit dem Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und Chemiereport/Austrian Life Sciences produzierten – Podcasts finden Sie hier: www.chemiereport.at/am-mikroskop
© Privat
Blog
EU Pharmaceutical Legislation – Ist Gutes wollen auch Gutes tun?
Mit dem neuen EU-Pharmapaket sollen wichtige Ziele erreicht werden – wie die Besserstellung europäischer Patient:innen hinsichtlich Zugang zu Medikamenten, Versorgung mit moderner Medizin und Leistbarkeit von Arzneimitteln. Allerdings müssen die im Gesetzesentwurf vorgestellten Lösungsvorschläge hinterfragt werden, um diese Ziele auch tatsächlich zu erreichen, analysiert Doris Schernhammer, Director, European Government Affairs bei Eli Lilly & Company in Brüssel. Lesen Sie mehr im neuen FOPI.Blog!
Lebensverändernde Therapien
Innovationen für Melanome
Das Melanom (auch schwarzer Hautkrebs) ist die bösartigste Form von Hautkrebs und verantwortlich für über 90 % aller Todesfälle bei Hauttumoren. Bereits in frühen Stadien besteht eine hohe Neigung zur Bildung von Metastasen. In Österreich werden ca. 1.500 Neuerkrankungen pro Jahr verzeichnet (Statistik Austria). Auch beim Melanom hat sich die immunonkologische Therapie als lebensverändernd erwiesen, denn es kann oftmals damit gelingen, eine akut lebensbedrohliche Erkrankung in eine chronische Erkrankung zu verwandeln. Bis 2010 bewirkten Chemotherapien ein zusätzliches Überleben von 7 bis 8 Monaten. Die immunonkologischen, gut verträglichen Therapien ermöglichen derzeit ein zusätzliches Überleben von bis zu 6,5 Jahren (im Median). Bei den zielgerichteten Therapien (targeted therapy) werden gezielt Veränderungen (Mutationen) in den Krebszellen angegriffen, die für das unkontrollierte Wachstum verantwortlich sind. Da diese Angriffspunkte („Targets“) in normalen Körperzellen in der Regel nicht vorhanden sind, werden Tumorzellen „gezielt“ im Wachstum gehemmt und das gesunde Gewebe bestmöglich geschont. Die zielgerichtete Therapie wird bereits seit einigen Jahren im Behandlungsalltag bei fortgeschrittenen Melanomen eingesetzt, die nicht vollständig chirurgisch entfernt werden können (Stadium III, inoperabel) oder metastasiert sind (Stadium IV).Mehr dazu unter https://fopi.at/wir-sagen-danke/