Ohne Patentschutz keine Forschung, ohne Forschung kein Fortschritt

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Stellen Sie sich vor, Sie sind Schriftsteller und arbeiten an einem Roman. Die Arbeit dauert mehrere Jahre, mit tiefschürfenden Recherchen und mehrmaliger Überarbeitung. Dann übernimmt ein kleiner Verlag das Werk, und es steht zum Verkauf in Buchhandlungen. Dann plötzlich, weil es so gute Kritiken bekommt, kopiert ein anderer den Text und bringt das Buch unter seinem Namen, mit einem anderen Verlag und gleich in mehreren Sprachen übersetzt weltweit – z.B. über Amazon – auf den Markt.

Oder, Sie sind Musiker und schreiben ein Album mit eigenen Songs. Auch hier stecken Jahre der Kreativität, des Verwerfens und Neuüberarbeitens, des Ausprobierens und Reinterpretierens drin. Ein kleines Label nimmt es unter Vertrag und es wird von einem lokalen Streamingportal verbreitet. Da kommt eine Band, kopiert – ohne Sie zu fragen – sämtliche Stücke und bringt diese unter einem neuen Albumnamen selbst heraus. Beispielsweise Spotify bringt das Album dieser neuen Band weltweit groß heraus.

Undenkbar? Vielleicht nicht gänzlich, Plagiate sollen vereinzelt ja vorkommen. Aber die Autoren und deren Werke werden überall auf der Welt geschützt – sie haben geistiges Eigentum geschaffen und dürfen darüber auch ausschließlich verfügen, z.B. Lizenzen zur Nutzung erteilen oder pro Buch oder pro gespielten Song im Radio Tantiemen einheben. Dieses Urheberrecht ist übrigens für 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers gültig.

„In anderen Bereichen sind Plagiate verpönt und geistiges Eigentum durch das Urheberrecht streng geschützt. Wieso stellen wir diesen Schutz bei pharmazeutischen Innovationen in Frage?“

Was hat das mit der innovativen Pharmaindustrie zu tun? Der Schutz geistigen Eigentums, hier durch Patente, ist – wie für die Kreativen in Kunst und Kultur – die Lebensader und die Grundlage für neue Medikamente. Genau so wie es sich kaum ein Autor antun würde (es sei denn, aus reinem Hobby oder Selbsterfüllung), ein Buch zu schreiben, wenn dieses nicht urheberrechtlich geschützt wäre, gäbe es keine ernst zu nehmende Forschung für neue Medikamente mehr.

Urheberrecht ist unumstritten

Der Patentschutz für ein neues Molekül muss sogar noch wesentlich früher beantragt werden, als es in Form eines fertig entwickelten und zugelassenen Medikaments überhaupt die Chance bekommt, die Investitionen wieder zu verdienen. Die 20-jährige Patentschutzdauer für Erfindungen ist im Pharmabereich im Schnitt nur acht Jahre lang kommerziell nutzbar, weil die restliche Zeit für die aufwändige, zeitintensive klinische Forschung und Entwicklung und den behördlichen Zulassungsprozess aufgeht.

„Ohne Patentschutz gäbe es keine ernst zu nehmende Forschung für neue Medikamente.“

Aus diesem Grund wurde auch in allen wesentlichen Industriestaaten der Mechanismus von ergänzenden Schutzzertifikaten geschaffen, die einen Teil dieser langen Entwicklungszeit kompensieren. Weitere zusätzliche spezifische Anreize, wie eine weitere sechsmonatige Verlängerung der Schutzdauer, haben zum intendierten Ziel geführt, nämlich mehr für Kinder und Jugendliche geprüfte und zugelassene Arzneimittel als zuvor auf den Markt zu bringen.

Patentschutz als Innovationsmotor

Dieses System – auf Zeit begrenzte Exklusivität durch Patentschutz, Veröffentlichung der Erkenntnisse und dadurch Antrieb für weitere Forschung sowie die Ermöglichung des Nachmachens durch andere nach Ablauf dieser Zeit – ist ein wahrer Innovationsmotor. Zum Nutzen der PatientInnen, die ein enorm verbessertes Therapieangebot zur Heilung, Linderung oder Verlangsamung von Krankheiten zur Verfügung haben. Zum Nutzen der medizinischen Forschung, die immer klüger wird und weltweit vernetzt an neuen Lösungen für noch nicht optimal behandelbare Erkrankungen arbeitet. Aber auch zum Nutzen einer extrem leistungsfähigen (Stichwort Entwicklung sicherer und wirksamer COVID-Impfstoffe innerhalb weniger Monate), innovativen Pharmawirtschaft, die hochqualifizierte Arbeitsplätze bietet.

Wer das Patentsystem für Arzneimittel, meistens aus rein populistischen Erwägungen, in Frage stellt, gefährdet das alles – und stellt den Schutz geistigen Eigentums insgesamt in Frage.

Mag. Thomas Haslinger ist Market Access Director bei Novo Nordisk.