FOPI.flash März 2024

In dieser Ausgabe

analysis-2030261 (Konstantin Kolosov auf Pixabay)
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Editorial

Im Interesse der Patient:innen

Der Zugang zu innovativen Therapien ist seit Jahren ein Thema intensiver Diskussionen in Österreich. Während die einen auf die von der EFPIA publizierte „Gesamtverfügbarkeit nach Zulassungsjahr“ blicken und Österreich auf einem vorderen Rang sehen, beklagen die anderen einen verzögerten Marktzugang. So zeigt etwa die kürzlich publizierte Studie des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung einen teilweise markanten Nachholbedarf gegenüber Deutschland, insbesondere im niedergelassenen Bereich. (Mehr dazu gleich im ersten Beitrag.)

So unterschiedlich die Sichtweisen und Positionen auch sein mögen: Das Ziel von allen Playern im Gesundheitswesen sollte jedenfalls ident sein – nämlich Patient:innen in Österreich bestmöglich zu versorgen sowie neue Therapien rasch und möglichst ohne Hürden zugänglich zu machen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, im Dialog zu bleiben und gemeinsam Schwächen zu identifizieren sowie Lösungen zu entwickeln. Die vergleichsweise gute Situation im Spitalsbereich muss im Interesse der Patient:innen auf jeden Fall erhalten bleiben. Das neue Instrument des Bewertungsboards kann hier eine Chance sein, wenn es dazu beiträgt, den Zugang aller Menschen in Österreich zu medizinischer Innovation auf hohem Niveau zu standardisieren und regionale Unterschiede abzubauen. Gleichzeitig birgt ein solches Instrument aber ein inhärentes Risiko, die derzeitige Situation zu verschlechtern, wenn es so ausgestaltet wird, dass es die Verfügbarkeit von Innovation in Österreich verzögert und die Therapiefreiheit der Ärzteschaft untergräbt. Dieses Szenario sollte unbedingt vermieden werden – im Interesse aller Patient:innen hierzulande.

Eine wesentliche Stimme in diesem Dialog bildet auf Seiten des FOPI die Generalsekretärin. Da fand im März 2024 nach drei Jahren eine Staffelübergabe statt: Dr. Ines Vancata legte plangemäß die ehrenamtliche Funktion zurück, MMag. Astrid Jankowitsch wurde einstimmig zur neuen Generalsekretärin des FOPI gewählt. Ines Vancata hat den Verband in den vergangenen Jahren maßgeblich mitgeprägt. Als starke Netzwerkerin und gute Kennerin des heimischen Gesundheitswesens hat sie Türen geöffnet und Brücken zwischen unterschiedlichen Positionen errichtet. Als Präsidium des FOPI haben wir ihr ebenso wie der – ebenfalls ausscheidenden – stv. Generalsekretärin Cornelia Moser viel zu verdanken.

Mit Astrid Jankowitsch konnten wir jedoch eine erfahrene und leidenschaftliche Expertin für das FOPI-Team gewinnen. Ihre Herangehensweise und Schwerpunkte können Sie im Interview kennenlernen!

Julia Guizani, Amaya Echevarria und Leif Moll
Präsidium des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI)

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Studie

Innovative Therapien in Österreich teilweise schwer zugänglich

Medizinische Innovationen bieten Patient:innen oft neue Hoffnung und verschaffen Ärzt:innen Therapieoptionen. Dennoch ist der Zugang zu innovativen Medikamenten in Österreich teilweise schlechter als in Deutschland. Das zeigt eine aktuelle Studie des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung.

„Obwohl das österreichische Gesundheitssystem im internationalen Vergleich relativ gut abschneidet, stellte sich die Frage, ob und in welchem Umfang innovative Therapien nicht oder nur mit Einschränkungen in Österreich zugänglich sind“, umreißt Studienautor Martin Gleitsmann die Forschungsfrage. „Um etwaige Hürden im Zugang zu Innovationen für Patient:innen in Österreich zu erfassen und mögliche Auswirkungen anhand einer quantitativen Analyse vergleichend zu beurteilen, wurden daher erstmals verschiedene unabhängige Datenquelle kombiniert.“ Grundlage bildeten konkret Daten der European Medicines Agency (EMA), des Marktforschungsinstituts IQVIA, der Studienplattform clinicaltrials.gov und des Rechtsinformationssystems des Bundes (RIS).

Verglichen wurden die Ergebnisse der Analyse mit Daten aus Deutschland, wo ja im europäischen Vergleich ein guter Zugang zu medizinischen Innovationen gegeben ist. Berücksichtigt wurde hierbei, dass in Österreich – im Vergleich zu anderen europäischen Märkten – eine strikte Trennung zwischen Kassen- und Spitalsbereich im Zugang für innovative Therapien besteht.

Im Spitalsbereich guter Zugang zu innovativen Therapien

Im Spitalssektor zeigte sich dabei eine durchwegs gute Verfügbarkeit neuer Therapien. Der bevölkerungsadjustierte Absatz von innovativen Medikamenten war in Deutschland und Österreich ähnlich, was auf vergleichbaren Zugang für Patient:innen hindeutet. Rund 61 % der analysierten intramuralen No-Box Innovationen zwischen 2016 und 2022 waren übrigens Mittel zur Krebsbehandlung. Die verbleibenden 11 Innovationen fielen in neun unterschiedliche pharmakotherapeutische Gruppen.

Im niedergelassenen Bereich deutliche Zugangshürden

Im niedergelassenen Bereich, wo die Erstattung über die Krankenkassen erfolgt, ergab sich hingegen ein differenziertes Bild: Während der Absatz von Krebsmedikamenten ebenfalls mit jenem in Deutschland vergleichbar war und auf gute Verfügbarkeit rückschließen lässt, kam es bei anderen Indikationen zu deutlichen Abweichungen. Die Forscher:innen stellten Zugangs- und administrative Hürden fest. Bei nur 4 % der Innovationen haben die Patient:innen im Kassenbereich freien Zugang (über die Grüne Box). 22 % der neuen Präparate sind in der gelben Box (RE1) gelistet und können zwar gemäß Regeltext verschrieben werden, benötigen aber eine chef-/kontrollärztliche Genehmigung. Weitere 24 % landeten in der sogenannten No-Box und sind nur in medizinisch begründeten sowie chef-/kontrollärztlich genehmigten Einzelfällen verschreibbar – in der Regel dann, wenn es keine Behandlungsalternative gibt.

Für 14 von 19 Innovationen (74 %) wurden die Zugangshürden offenkundig, wobei mindestens einmal vergeblich ein Aufnahmeantrag für den Erstattungskodex gestellt wurde. „Dies betrifft unter anderem Medikamente gegen Osteoporose oder Diabetes, wo die Gruppe der betroffenen Patient:innen durchaus groß ist“, so Studienautor Gleitsmann. „Lediglich Mittel zur Krebsbehandlung scheinen von diesen Zugangshürden generell nicht betroffen zu sein. Da ist die Verfügbarkeit mit unserem großen Nachbarn annähernd vergleichbar.“

Klinische Forschung von Bedeutung

Die Studie untersuchte außerdem den Zusammenhang zwischen der Medikamentenentwicklung – also klinischen Studien – und dem Zugang zu diesen Therapien. Das Ergebnis: Eine heimische Studienbeteiligung ist sowohl für den Zugang zu Innovationen als auch den Standort Österreich bedeutend. Die Hälfte der betrachteten innovativen Medikamente, die sich im Erstattungskodex befinden, wurden mit österreichischer Beteiligung entwickelt.

Details zur Studie finden sich in der online verfügbaren Zusammenfassung.

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Zahl des Monats

50 von 225

neuen Medikamenten würden Expert:innen zufolge in den nächsten 15 Jahren nicht auf den Markt kommen, wenn der regulatorische Datenschutz – wie von der EU Kommission angedacht – um zwei Jahre verkürzt wird. Mehr über den negativen Impact dieses Vorschlags hier.

© accelent/Theo Hertenberger

Podcast

Am Mikro|skop: Bitte warten!

Passend zum Thema „Zugang zu Innovationen“ ist soeben auch eine neue Episode des Podcasts „Am Mikro|skop“ on air gegangen. Moderatorin Martina Rupp diskutiert mit Studienautor Martin Gleitsmann und Osteoporose- sowie Rheuma-Spezialist Christian Muschitz, wieso neue Medikamente in Österreich nicht in gleichem Ausmaß verfügbar sind, in welchen Bereichen das Problem in besonderem Maß auftritt und was dafür verantwortlich ist. Diese und alle anderen Episoden des – gemeinsam mit dem Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und Chemiereport/Austrian Life Sciences produzierten – Podcasts finden Sie hier: www.chemiereport.at/am-mikroskop

Diese Episode wird von Bristol-Myers Squibb gesponsert. 

© Lisi Specht

Interview

Astrid Jankowitsch: Ich sehe mich als Brückenbauerin

Nach drei Jahren erfolgte am 14. März 2024 im Generalsekretariat des FOPI die Staffelübergabe: Dr. Ines Vancata legte plangemäß die ehrenamtliche Funktion zurück, MMag. Astrid Jankowitsch wurde einstimmig zur neuen Generalsekretärin des FOPI gewählt. Die neu gewählte Generalsekretärin Astrid Jankowitsch fühlt sich dem FOPI als Head Public Policy, Communications & Patient Advocacy bei Takeda schon lange verbunden. Die studierte Biologin und Juristin ist seit 2004 in der heimischen Pharmaindustrie tätig und kennt die Themen rund um die Entwicklung und Produktion innovativer Arzneimittel im Detail. Im Interview mit FOPI.flash spricht sie über ihre Herangehensweise.

Sie wurden vor rund zwei Wochen zur neuen Generalsekretärin des FOPI gewählt. In einem Satz – was macht das FOPI für Sie aus?

Ich betrachte das FOPI als eine starke Organisation, getragen von Mitgliedern, die die gemeinsame Mission verfolgen, innovative, lebensverändernde Therapien zum Wohle der Patient:innen und der Gesellschaft sicherzustellen.

Was motiviert Sie, sich neben Ihrem zweifellos ausfüllenden Brotberuf bei Takeda ehrenamtlich für die forschende Pharmaindustrie zu engagieren?

Ich glaube an ein umfassendes und nachhaltiges Gesundheitssystem und bin überzeugt davon, dass auch bei sehr unterschiedlichen Positionen stets ein gemeinsamer Nenner zu finden ist. Es braucht ein starkes Engagement der Industrie, um vertrauensvolle Partnerschaften zu bilden, in denen sich alle Partner:innen auf Augenhöhe begegnen. Meine Tätigkeit beim FOPI sehe ich als Beitrag zu diesem Idealzustand – und bisherige gemeinsame Schritte in die richtige Richtung bestärken mich darin.

Wo wollen Sie Schwerpunkte setzen? Was sind Ihre wichtigsten Anliegen?

Mit Blick auf zukünftige Herausforderungen sehe ich insbesondere zwei logisch verknüpfte Themenschwerpunkte, zu deren Weiterentwicklung ich beitragen möchte. Das ist zum einen der Bereich Data & Technology, den alle Stakeholder besser verstehen und nutzen müssen und der uns dadurch nie dagewesene Möglichkeiten eröffnet. Daten sind die Währung (insbesondere) der Zukunft, und ich bin überzeugt davon, dass uns das gemeinsame Verständnis ihrer Nutzung in unserem Gesundheitssystem zu einer evidenzbasierten Entscheidungsfindung und zu einer Steigerung der Gesamteffizienz führen kann.

Damit einher geht die Health Literacy, die Gesundheitskompetenz in der Gesamtbevölkerung, der Gesellschaft: Wir brauchen Anstrengungen, die Wissenschaftskommunikation auf ein neues Niveau zu holen, um ein next level an Health Literacy, Gesundheitskompetenz anzustreben und umzusetzen. Data & Technology kann auch dabei als essenzielles Instrument fungieren.

Woran wird man später mal Ihre Handschrift erkennen?

Meine Herangehensweise ist dialogorientiert, ich sehe mich als Brückenbauerin, die vermittelt und den Mehrwert in unterschiedlichen Perspektiven sieht. Die Sichtweise von Patient:innen hat für mich einen besonders hohen Stellenwert, diese noch weiter zu stärken ist aus meiner Sicht äußerst relevant. Es wird notwendig sein, dass alle Partner:innen im Gesundheitssystem enger zusammenarbeiten, um einander besser zu verstehen und damit Verbesserungen schaffen. Das möchte ich weiter forcieren und so auch meine Kommunikation nach innen und außen gestalten.

Sie sind seit ziemlich genau 20 Jahren in der Pharmaindustrie tätig. Was hat Sie zu Anbeginn fasziniert? Und was fasziniert Sie heute noch?

Meine Karriere in der Industrie habe ich im Bereich Regulatory Affairs und Qualitätsmanagement begonnen, nahe an der Produktion von biopharmazeutischen Arzneimitteln. Die Faszination dafür ist ungebrochen und auch meine Wertschätzung für die Mitarbeiter:innen, die jeden Tag ihr Bestes geben, um die Medikamentenversorgung für Patient:innen sicherzustellen. Ich habe die Medikamentenherstellung von Beginn an als enormen Wert für unsere Gesellschaft begriffen – und in meiner täglichen Arbeit einen Beitrag dazu gesehen. Und daran hat sich nichts geändert: Ich möchte weiterhin die Zukunft des Gesundheitssystems mitgestalten, die eine nachhaltige Patient:innenversorgung sicherstellt.

Was sind aus Ihrer Sicht – als Kennerin des Gesundheitssystem – heute die größten Herausforderungen, die es für die Zukunft zu bewältigen gilt?

Wir müssen nachhaltig Verständnis bei allen Partner:innen im Gesundheitswesen schaffen, dass Gesundheit das gesellschaftlich höchste Gut ist; viele Staaten haben das bereits erkannt und entsprechend verankert. Hier geht es vorrangig darum, gemeinsame Ziele zu schaffen und abzustimmen, sodass eine Zusammenarbeit erfolgt, die für die Gesellschaft einen abgestimmten Mehrwert bringt. Die größte Herausforderung liegt im Miteinander und alle Partner:innen im Gesundheitswesen sind angehalten, sich jetzt darum kümmern, die rechtlichen, gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um der Gesundheit den entsprechenden Stellenwert zu verschaffen und damit zu einer gesamtgesellschaftlichen Verbesserung beizutragen.

Über Astrid Jankowitsch

MMag. Astrid Jankowitsch leitet seit 2019 den Bereich Public Policy, Communications und Patient Advocacy bei Takeda. Davor war sie lange Jahre in der biopharmazeutischen Produktion bei Baxter BioScience im Qualitätsbereich tätig. Ihren Schwerpunkt legt die Biologin und Juristin auf den Bereich der seltenen Erkrankungen, insbesondere auf die nachhaltige Versorgung von Betroffenen.

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Podcast

Am Mikro|skop: Gender Health Gap – wie Frauen das Gesundheitssystem erleben

Die Medizin war bis Ende der 1980er Jahre vorwiegend männlich orientiert, und auch heute zeugen die Erlebnisse von Frauen von einer Ungleichbehandlung. Wie äußert sich diese? Welche Barrieren erleben Frauen im Gesundheitssystem? Und welche Auswirkungen hat der Gender Health Gap auf die Gesundheit der Österreicher:innen? Das diskutiert Moderatorin Martina Rupp in der 25. Episode von Am Mikro|skop mit Dr.in Mireille Ngosso (Assistenzärztin in der Allgemein- und Viszeralchirurgie im Krankenhaus Hietzing, Wiener Landtagsabgeordnete und Autorin) und Susanne Erkens-Reck (General Manager Roche Austria). Diese und alle anderen Episoden des – gemeinsam mit dem Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und Chemiereport/Austrian Life Sciences produzierten – Podcasts finden Sie hier: www.chemiereport.at/am-mikroskop

Diese Episode wird von Roche gesponsert.