FOPI.flash April 2021
In dieser Ausgabe
- Editorial: Sowohl als auch statt entweder oder in der Forschung
- Interview Christof Gattringer: Nur Grundlagenforschung bringt uns langfristig weiter
- Wordrap mit Ines Vancata und Cornelia Moser: Warum Pharma sinnstiftend ist
- Zahl des Monats: 268 Anträge
- Blog: Sind PatientenvertreterInnen Laien oder Experten?
- FOPI Führungspersönlichkeiten im Gespräch: Anthea Cherednichenko, Takeda
Editorial
„Sowohl als auch“ statt „entweder oder“ in der Forschung
Forschung ist entscheidend, wenn wir die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen wollen. Das hat die Pandemie mit aller Macht gezeigt. Doch ist es die Grundlagenforschung, auf die es ankommt? Oder hat die oftmals unterschätzte klinische Forschung noch größere Bedeutung?
Wäre also die Entwicklung von Impfstoffen gegen COVID-19 ohne (universitäre) Grundlagenforschung undenkbar gewesen? Oder hat erst die Entwicklung durch die Industrie und die klinische Prüfung die Erfolgsgeschichte möglich gemacht?
Wir meinen: Das eine ist mit dem anderen untrennbar verbunden und jegliches Gegeneinander-Aufwiegen schadet mehr als es nützt. Wir brauchen beides: forcierte Förderung der Grundlagenforschung und ebenso kompromisslose Unterstützung der Forschung & Entwicklung in Unternehmen.
Um das zu verwirklichen, ist ein klares politisches und gesellschaftliches Commitment nötig – aber auch eine Haltung des Aufeinander-Zugehens, des Sich-Vernetzen- und Austauschen-Wollens. Denn nur das wird uns wirklich weiterbringen. Mit diesem Spirit haben wir das Gespräch mit Christof Gattringer, dem neuen Präsidenten des Wissenschaftsfonds FWF, geführt. Und mit dieser Einstellung werden wir die Vernetzung mit ForscherInnen in allen Bereichen gestalten.
Bernhard Ecker, Tuba Albayrak & Wolfgang Kaps
Präsidium des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI)
Bild © FWF/Stefan Fürtbauer
Interview
Christof Gattringer: Nur Grundlagenforschung bringt uns langfristig weiter
Christof Gattringer ist seit Anfang April Präsident des Wissenschaftsfonds FWF und bricht in dieser Funktion eine Lanze für die Grundlagenforschung. Über seinen persönlichen Zugang zu Forschungsförderung und seine Pläne für eine Exzellenz-Initiative spricht er im FOPI.flash-Interview – im Austausch mit FOPI-Präsident Bernhard Ecker.
Herr Gattringer, Sie haben in einem Statement nach ihrer Bestellung die großen Herausforderungen betont, vor denen wir als Gesellschaft stehen – und Sie haben dabei der Wissenschaft eine Schlüsselrolle zugeordnet. Was meinen Sie damit konkret?
Christof Gattringer: Große Herausforderungen brauchen große Veränderungen. Und die basieren aus meiner Sicht immer auf wissenschaftlichen Durchbrüchen, die ihren Ursprung in der Grundlagenforschung haben. Nehmen Sie als Beispiel das allgegenwärtige Handy. Es vermisst unseren Standort auf den Meter genau, es transportiert Sprache, es macht Bilder in hervorragender Qualität, es fungiert als kleiner Computer. Doch wenn man alles weglässt, was durch die Grundlagenforschung möglich gemacht wurde, ist es nicht mehr als ein Briefbeschwerer. Das heißt, Grundlagenforschung ist in fast allen, ganz alltäglichen Bereichen unseres Lebens versteckt, ohne dass wir darüber nachdenken. Und: Nur Grundlagenforschung bringt uns langfristig weiter.
Gilt das auch im selben Maß für die pharmazeutische Forschung & Entwicklung?
Christof Gattringer: Ja durchaus, und die aktuelle COVID-19-Pandemie hat sogar sehr deutlich gezeigt, wie wichtig die Grundlagen sind. Ich bin auf dem Gebiet zwar kein Experte, weiß aber doch, dass die ungeheuer rasante Entwicklung von Impfstoffen nur machbar war, weil auf langjährige, tiefgehende Vorarbeiten zurückgegriffen werden konnte. Hätten ForscherInnen und Unternehmen nicht darin investiert und hätte es die Grundlagen nicht gegeben, wäre die Situation heute wohl eine andere.
Daran anknüpfend – welche Akzente wollen Sie als Präsident des FWF gerade in diesem Bereich setzen?
Christof Gattringer: Wir wollen vor allem für die Zukunft das Feld aufbereiten. Der FWF setzt zu 100 % auf wissenschaftliche Qualität und fördert mit unterschiedlichen Formaten die Entwicklung wissenschaftlicher Karrieren und die kollaborative Forschung. Ich weiß aus meinem Bereich – ich bin ja Physiker – wie wirkungsvoll die gezielte Unterstützung von DoktorandInnen und Postdocs sein kann. ForscherInnen am Karrierebeginn haben dadurch die Möglichkeit, ihre eigenen Schritte in Richtung Grundlagenforschung zu setzen, Neues zu wagen und dieses Wissen in ihre späteren Tätigkeiten – sei es an Unis oder in Unternehmen – mitzunehmen.
Sie haben in dem schon angesprochenen Statement auch gesagt, der Wissenschaft den nötigen Freiraum geben zu wollen, um hier in Österreich Wissenschaft von Weltformat voranbringen zu können. Kann Österreich international mithalten?
Christof Gattringer: Nicht uneingeschränkt und in allen Bereichen. Österreich ist in ein paar ausgewählten Segmenten tatsächlich Weltklasse und in anderen Mittelmaß oder gehobenes Mittelmaß. Etwa in den Life Sciences, der Quantenphysik oder auch in den Geschichtswissenschaften zählen Teams aus Österreich unbestritten zur Weltspitze. Doch ein kleines Land wie Österreich kann nicht anstreben, überall führend zu sein. Das würde an Realitätsverweigerung grenzen. Deshalb müssen wir uns fragen: Wo wollen wir im internationalen Wettbewerb mitspielen? Wie wollen wir uns positionieren? Aufgabe des FWF ist es dann, Forschenden den nötigen Freiraum zu geben, um im internationalen Wettbewerb reüssieren zu können.
Josef Penninger hat bei einer Veranstaltung vor ein paar Monaten gefordert, von Förderungen mit der Gießkanne abzugehen und sich stattdessen auf Leuchttürme zu konzentrieren. Halten Sie das für sinnvoll?
Christof Gattringer: Absolut, die Vergabe von Drittmitteln im Wettbewerb ist auch unsere Zugangsweise. Wir lassen alle Anträge von internationalen Gutachtern evaluieren, filtern die besten und vielversprechendsten heraus und fördern diese gezielt. Damit folgen wir übrigens auch internationalen Beispielen. Die Innovationsleader setzen schon seit Jahren auf wettbewerbsgetriebene Forschung und vergeben die Mittel zu einem erheblichen Anteil kompetitiv. Dazu zählen insbesondere die Niederlande und die Schweiz. Aber auch Deutschland und die USA leben das viel stärker als wir. In Österreich ist der Anteil der Fördermittel, der kompetitiv vergeben wird, leider vergleichsweise gering.
Ein anderer Aspekt: Sie werden damit zitiert, dass Kooperation und Vernetzung wesentliche Aspekte moderner Forschungsarbeit sind. Wie wollen Sie dazu beitragen?
Christof Gattringer: Wir werden eine Exzellenz-Initiative starten und Exzellenz-Cluster zu speziellen Forschungsfragen bilden. Bei diesen Clustern wird jeweils eine Universität den Lead haben und sich mit zwei oder mehr anderen Forschungsstätten – universitären Instituten ebenso wie privatwirtschaftlichen – vernetzen. Nur dann erhalten sie Zugang zu einer Förderung, die bis zu 70 Millionen Euro für 10 Jahre betragen kann.
Im heurigen Jahr wollen wir vier bis fünf solcher Cluster ins Leben rufen, 2023 dann nochmal vier bis fünf. Die Auswahl erfolgt durch eine international besetzte Jury nach einer ebensolchen Evaluierung, und die Ausrichtung ist komplett themenoffen – einzig die Qualität zählt. Auch der Pharmaforschung steht die Tür offen!
Herr Ecker, die Vernetzung ist auch Ihnen ein Anliegen. Was bräuchte es dazu, eine intensivere Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft zu erzielen?
Bernhard Ecker: Die Offenheit, aufeinander zuzugehen. Denn nur im Gespräch lernt man die Bedürfnisse des anderen verstehen. Ganz selbstkritisch muss ich sagen, dass wir in der Industrie oftmals den Wert der Grundlagenforschung auch nicht ausreichend sehen. Dabei ist er unbestritten und steigt mit der Anwendung. Wenn man das im Hinterkopf behält, dass die Grundlagenforschung irgendwann zur Anwendung gelangt, dann hat der Vernetzungsgedanke große Bedeutung.
Christof Gattringer: Ich möchte da aber ergänzen, dass auch auf Seiten der Wissenschaft oftmals Berührungsängste bestehen. Ich kenne einige KollegInnen, die sich aus Scheu auf die reine Wissenschaft zurückziehen – was schade ist, denn es muss doch das Ziel sein, die tollen Ideen zum Leben zu erwecken. Wir haben daher auch ein Augenmerk auf den Transfer des Wissens in Wirtschaft und Gesellschaft. Der gesetzliche Auftrag des FWF ist zwar auf die Grundlagenforschung gerichtet, aber das soll uns nicht hindern, den Blick ein wenig weiter schweifen zu lassen.
Zur Person
Der Teilchenphysiker Christof Gattringer ist seit 2005 Professor an der Universität Graz sowie seit 2019 Vizerektor für Forschung und Nachwuchsförderung ebendort. Unter anderem forschte er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston, an der University of British Columbia in Vancouver sowie an der University of Washington in Seattle. Der Physiker konnte bereits zahlreiche FWF-Projekte einwerben und war Sprecher eines FWF-Doktoratskollegs. Seit Februar 2021 ist er Präsident des Wissenschaftsfonds FWF.
Bild © Roche
Wordrap
Warum Pharma sinnstiftend ist
Mitte März wurden Ines Vancata und Cornelia Moser zur Generalsekretärin bzw. stellvertretenden Generalsekretärin des FOPI gewählt. In einem Wordrap für den FOPI.flash erzählen sie über ihre Inspirationen und ihren Antrieb, für die Pharmaindustrie etwas bewegen zu wollen.
Von welchem Beruf haben Sie mit 10 Jahren geträumt?
Cornelia Moser: Architektin
Ines Vancata: Tierärztin. Das hab ich dann auch gemacht.
Warum ist es (dann doch) die Pharmaindustrie geworden?
Ines Vancata: Ab einem gewissen Zeitpunkt wollte ich etwas anderes machen, auch Abwechslung haben. Auf der Suche nach einem Gebiet, wo ich alles verbinden kann, bin ich auf die Pharmaindustrie gekommen. Und das war eine gute Entscheidung.
Cornelia Moser: Ich bin draufgekommen, wie technisch Architektur ist und habe mich sehr schnell für die Wirtschaft begeistert. Durch die Wahl meines ersten Studiums Gesundheitsmanagement bin ich zur Pharmaindustrie gestoßen, was für mich eine sinnstiftende und erfüllende Aufgabe ist.
Wie erklären Sie einer privaten Zufallsbekanntschaft in einem Satz, was Sie als Mitarbeiterin der Pharmaindustrie bewegen wollen?
Cornelia Moser: Ich möchte, dass jede Person die beste Therapie und Unterstützung bekommt, wenn das notwendig wird.
Ines Vancata: Wichtig ist, einen nachhaltigen und substanziellen Beitrag zum Gesundheitssystem zu leisten. Noch wichtiger aber ist es, dass innovative Therapeutika die Menschen erreichen.
Wie überzeugen Sie eine/n eingefleischte/n KritikerIn der Pharmaindustrie, Ihnen zumindest fünf Minuten zuzuhören?
Ines Vancata: Indem ich ihr oder ihm eine Geschichte erzähle, was die Medizin schon für meine eigene Familie getan hat.
Cornelia Moser: Mit der Frage, ob sie oder er im Leben noch nie ein Medikament gebraucht hat.
Welche Person aus der Branche hat Sie inspiriert?
Ines Vancata: Hmm, was ist die Branche? Ist es der gesamte Gesundheitsbereich? Da gibt es so viele Menschen, die zu so vielen Themen Inspirationen liefern. Ich möchte das ungern an einer Person festmachen.
Cornelia Moser: Edwin Villhauer. Er ist Chemiker in den USA und hat vor etlichen Jahren ein Diabetesmedikament entdeckt, was sogar nach ihm benannt wurde und vielen Menschen hilft. Er ist anschließend in die Lehre gegangen, um als High School Teacher seine Begeisterung für die Chemie weiterzugeben. Ich habe ihn in unserer Zusammenarbeit als sehr nahbar und bodenständig erlebt und vor allem als großartigen Erzähler.
Welche Innovation der Pharmaindustrie halten Sie für bahnbrechend? Und warum?
Ines Vancata: Wo fängt man an, wo hört man auf? Jede Verbesserung, jede wirksame Therapie ist für den Einzelnen ein bahnbrechender Schritt. Daher ist Medizin sowie Forschung und Entwicklung an sich bahnbrechend.
Cornelia Moser: Aktuell sind es für mich die COVID-19 Impfstoffe, weil sie uns wieder zu einem normalen Leben in Freiheit verhelfen, was wir zum Glück kennen.
Was ist aus Ihrer Sicht das größte Missverständnis in der Beurteilung der Branche?
Cornelia Moser: Es wird oft zu wenig gesehen, dass in dieser Branche viele Menschen arbeiten, die wirklich etwas bewegen wollen.
Ines Vancata: Dass unser Interesse ausschließlich vom Aktienkurs getrieben ist. Ich sehe unseren tiefsten Sinn in der Forschung und darin, etwas für Menschen bewegen zu wollen.
Was sind die wahren Stärken?
Cornelia Moser: Das sind für mich wiederum die Menschen, die hier arbeiten, die sich gut ausbilden, sehr motiviert sind und sehr wertschätzend miteinander umgehen.
Was wollen Sie als Vertreterin der forschenden Pharmaindustrie und damit als Integrationsfigur erreichen?
Cornelia Moser: Dass wir einfacher und damit besser und verständlicher kommunizieren und informieren.
Ines Vancata: Dass Menschen verstehen, wer wir sind und wofür wir stehen.
Zur Person – Ines Vancata
Die promovierte Veterinärmedizinerin bringt Expertise aus verschiedensten Bereichen der pharmazeutischen Industrie ein. 2004 startete sie ihre berufliche Laufbahn bei Roche Österreich. Erste Erfahrung konnte sie in der klinischen Forschung sammeln, wo sie bald Führungsverantwortung übernahm. Danach folgten diverse kommerzielle Rollen im Unternehmen, bis sie 2014 mit dem Aufbau und der Entwicklung des regionalen Health Care Managements betraut wurde. Seit 2017 bekleidet sie die Position des Market Access Directors und stieg damit als zweite Frau ins Management Team von Roche Österreich auf.
Zur Person – Cornelia Moser
Cornelia Moser ist studierte Wirtschaftswissenschaftlerin mit den Schwerpunkten Pharmamanagement und Kommunikation. Sie begann ihre berufliche Laufbahn 2005 und war die ersten Jahre in unterschiedlichen Marketing-Funktionen bei Roche Diagnostics, Novartis und Novo Nordisk tätig. 2013 übernahm sie als Pricing & Reimbursement Manager bei Amgen den Bereich Health Economics für Österreich und unterstützte die Region East Europe im Market Access. Nach einer weiteren Market Access-Funktion bei Biogen wurde sie im Sommer letzten Jahres von Bristol Myers Squibb mit Government Affairs & Policy-Agenden betraut.
Video
Ines Vancata und Cornelia Moser im Wordrap
Im O-Ton klingen Ines Vancata und Cornelia Moser so: https://bit.ly/2PmjZwy. Wer auf dem Laufenden bleiben will, kann hier den YouTube-Kanal des FOPI abonnieren.
Bild © FWF/Notwotny
Zahl des Monats
268 Anträge
von Forschenden wurden zum Schwerpunkt Coronaforschung an den Wissenschaftsfond FWF gestellt. 24 Projekte konnten aufgrund ihrer wissenschaftlichen Exzellenz inzwischen bewilligt werden – darunter Forschungsprojekte im Bereich klinischer Studien, der Biomedizin, aber auch sozialwissenschaftliche Analysen. „Wir wissen bereits einiges über Corona, aber noch lange nicht alles. Forschende wie Andreas Bergthaler arbeiten seit Wochen unermüdlich daran, diese Wissenslücken zu schließen“, meinte Wissenschaftsminister Heinz Faßmann dazu. Einen Überblick über die wichtigsten Projekte bietet die Website des FWF. Insgesamt förderte der FWF im Jahr 2020 exzellente Grundlagenforschung im Umfang von 243,6 Mio. Euro.
Bild © David Visnjic
Blog
Sind PatientenvertreterInnen Laien oder Experten?
„Wir alle – Forschung, Sozialversicherung, Medizin, Politik und Pharmaindustrie – arbeiten FÜR erkrankte Menschen. Wir alle setzen viel Energie und Engagement ein, um Krankheiten zu behandeln, zu heilen und Lebensqualität zu verbessern. Aber wie können wir noch besser auch MIT Betroffenen arbeiten?“ Diese Frage hat sich Bernadette Keusch gestellt und in ihrem aktuellen Blog-Beitrag beantwortet. Sie ist Patient Advocacy Manager bei Takeda Austria sowie Leiterin des Joint Standing Committees „Patient Advocacy” von FOPI & PHARMIG und vertritt eine prononcierte Meinung. Lesen Sie mehr im neuen FOPI.Blog!
Bild © Metamorphoto
FOPI Führungspersönlichkeiten im Gespräch
Anthea Cherednichenko: Umfassende Patientenversorgung ist der Schlüssel
Österreich ist gut im schnellen Marktzugang für neue Medikamente, aber insbesondere bei Therapien für seltene Erkrankungen kann unser Gesundheitssystem noch besser werden, meint Anthea Cherednichenko, Geschäftsführerin von Takeda Pharma, im Interview mit FOPI.flash. Außerdem sollten wir in Zukunft viel stärker in Richtung einer umfassenden Patientenversorgung denken.
Sie konnten internationale Erfahrungen sammeln und haben zweifellos einen differenzierten Blick auf den österreichischen Gesundheitssektor. Welche Trends nehmen Sie wahr? Wie wird der Wert von Arzneimittel-Innovationen gesehen?
Österreich hat ein sehr fortschrittliches Gesundheitssystem, das den PatientInnen eine Versorgung auf hohem Niveau bietet, auch im internationalen Kontext. Generell gibt es einen recht offenen und gerechten Zugang zu hochwertigen Medikamenten und eine hohe Absicherung durch die Sozialversicherung. Allerdings sind gerade im Bereich der seltenen und komplexen Erkrankungen innovative Therapiekonzepte und Serviceangebote von hoher Relevanz, und hier sehe ich noch Verbesserungspotenzial. Zum Beispiel zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich zu differenzieren, trägt meiner Meinung nach nicht zu einer umfassenden Betrachtung bei, die ich für notwendig halte. Denn die entscheidende Frage ist, wie wir die Investitionen im Gesundheitswesen am besten zum umfassenden Nutzen der PatientInnen einsetzen können
Was schätzen Sie am österreichischen System?
Der schnelle Marktzugang von neuen Medikamenten ist definitiv ein großer Vorteil des österreichischen Gesundheitssystems. Österreich belegt Platz 3 bei der Anzahl der für PatientInnen verfügbaren Orphan Drugs in den europäischen Ländern und Platz 4 bei der Zeit bis zur Verfügbarkeit, was ein großartiges Ergebnis ist und die starken Bemühungen des Gesundheitssystems unterstreicht. Außerdem sind die Therapien im Vergleich zu anderen Ländern für die PatientInnen meist kostenlos. Early-Access-Programme, vor allem für medizinisch unterversorgte Bereiche, sind von unschätzbarem Wert für die äußerst wichtige Sofortversorgung von PatientInnen. Hier sehe ich sehr positive Möglichkeiten in Österreich gegenüber anderen Ländern.
Außerdem wurden durch den Nationalen Aktionsplan für seltene Krankheiten bereits viele sehr wertvolle Maßnahmen umgesetzt, um die Situation für PatientInnen mit seltenen Krankheiten zu verbessern, aber ich sehe durchaus die Notwendigkeit eines nächsten Anschubs, das weiter zu entwickeln.
Können Sie über ein Beispiel aus Ihrem unmittelbaren Bereich berichten, das sinnbildlich für Ihre Einschätzung stehen kann?
Die Entwicklung von Therapien für seltene Krankheiten ist ein gutes Beispiel, hier sehen wir ein hohes Maß an ungedecktem Bedarf und Produkte, die einen signifikanten klinischen Nutzen bringen. Ein spezifisches Beispiel aus unserem unmittelbaren Umfeld wäre die Behandlung des Hereditären Angioödems (HAE): Hier sehen wir, dass ein breiter und gleichberechtigter Zugang nicht unbedingt erreicht wird. Außerdem setzt das Gesundheitssystem keine Anreize für die Behandlung zu Hause, die eine ideale Behandlungsoption für HAE-Patienten sein könnte.
Wenn die Behandlungspfade besser an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden, ist das nicht nur eine Frage der Convenience, sondern eine nachhaltige Verbesserung. Dies ermöglicht eine bessere Adhärenz, unterstützt die Ressourcen der PatientInnen und des Systems und trägt zur Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems bei.
Was müsste getan werden, damit die Versorgung heimischer PatientInnen mit innovativen Arzneimitteln für die Zukunft sichergestellt ist?
Umfassende Patientenversorgung ist der Schlüssel, wir sollten uns fragen: „Was würde dem Patienten am meisten helfen“, „Was können wir tun, um die Qualität der Versorgung zu verbessern“.
Die Digitalisierung bietet dabei zahlreiche Möglichkeiten – ein aktuelles Beispiel ist das H2O (Health Outcomes Observatory) -Projekt. Dieses paneuropäische und unternehmensübergreifende Projekt bringt den öffentlichen und privaten Sektor in einer strategischen Allianz zusammen, um ein beispielloses, standardisiertes Datenmanagement- und Infrastruktursystem in ganz Europa zu schaffen. Es werden die Meinungen und Präferenzen der Patienten und Patientinnen in Therapieentscheidungen einbezogen, die ihre individuelle Gesundheitsversorgung und letztlich die der gesamten Patientengemeinschaft verbessern.
Weiters ist insbesondere die Verbesserung der End-to-End-Patientendaten relevant, bei denen die Daten die PatientInnen durch das Gesundheitssystem und ihr gesamtes Leben begleiten, um Nutzen und Outcomes zu verfolgen, was sich eng mit unseren Bemühungen um eine umfassende Patientenversorgung deckt.
Über Takeda
Takeda hat in Österreich bereits eine lange Geschichte: Was 1778 als Heilmittelwerke begann, ist heute der größte Pharmaarbeitgeber Österreichs und somit ein essentieller Teil der heimischen pharmazeutischen Industrie. Rund 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen täglich dazu bei, dass Medikamente aus Österreich in über 100 Länder weltweit gelangen und PatientInnen in Österreich Zugang zu den innovativen Arzneimitteln von Takeda erhalten.
Der Schwerpunkt von Takeda liegt auf der Entwicklung hoch innovativer Arzneimittel, die dazu beitragen, das Leben von Menschen nachhaltig zu verändern, indem mit zielgerichteten Behandlungsoptionen neue Chancen geboten werden. Das umfangreiche Produktportfolio zu einem breiten Spektrum seltener und komplexer Erkrankungen liegt auf den Schwerpunkten Gastroenterologie, Onkologie, Seltene metabolische Erkrankungen, Hämophilie und Immunologie.