Nachhaltigkeit in der Klinischen Forschung als Zukunftsfaktor

© Martin Hörmandinger
Klinische Forschung ist in sich einer der impactstärksten und nachhaltigsten Beiträge der pharmazeutischen Industrie zur weltweiten Gesundheit.
Zugleich geht damit eine Wertschöpfung einher, die sowohl messbare als auch nicht quantifizierbare Aspekte umfasst: Für Patient:innen ist die Teilnahme an klinischen Studien ein wesentlicher Schritt ihrer Patient Journey und zugleich ein Faktor, der einerseits die Lebensqualität schon kurzfristig enorm steigern und andererseits den Zugang zu einem sonst (noch) nicht verfügbaren Therapieansatz bedeuten kann. Für Ärzt:innen bringt die Generierung von Expert:innenwissen im Rahmen klinischer Studien direkt vor Ort über die internationale Vernetzung einen globalen Wissensaustausch mit sich, der letztlich ebenfalls den Betroffenen zugutekommt. Wissenschaft und Industrie gewinnen durch klinische Studien wertvolle Daten – nicht nur für die Themen Zulassung und Erstattung, sondern auch für die Forschung und Weiterentwicklung ihrer Ansätze und Produkte. Dies wiederum mündet in therapeutischen Innovationen für Patient:innen, die durch klinische Forschung zur Marktreife gebracht werden könnten.
„Klinische Forschung bringt Österreich eine jährliche Wertschöpfung von 144 Millionen Euro.“
Studien belegen zudem ihre direkte und indirekte Wertschöpfung: Allein für Österreich wurden bereits vor einigen Jahren 144 Millionen Euro pro Jahr durch direkte und induzierte Effekte als Wertschöpfung durch klinische Forschung angegeben. Zugleich sichert der Bereich etwa 2.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze und trägt so dazu bei, dass Österreich sein Ziel erreicht, noch mehr als bisher ein Standort für Innovation zu werden.[1]
Der Aspekt Klimawandel auf die Gesundheit
Die großen globalen Entwicklungen, insbesondere der Kampf gegen den Klimawandel und seine Auswirkungen auf Gesundheit und Wirtschaftsleben, werden auch in der klinischen Forschung und im Gesundheitsbereich allgemein großen Einfluss auf die weitere Entwicklung haben – und gerade deshalb die weitere Entwicklung in diesem Sektor vorantreiben.
„Der Klimawandel ist die größte gesundheitliche Bedrohung für die Menschheit.“
Die WHO hält dazu fest, „der Klimawandel ist die größte gesundheitliche Bedrohung für die Menschheit, und Gesundheitsexperten auf der ganzen Welt reagieren bereits auf die gesundheitlichen Schäden, die diese Krise mit sich bringt. Der Klimawandel wirkt sich auf zahllose Weise auf die Gesundheit aus, z. B. durch veränderte Muster von Infektionskrankheiten, zunehmende extreme Wetterereignisse und Hitze, das Risiko von Dürren und Überschwemmungen und die daraus resultierende Ernährungsunsicherheit, die Zunahme von Atemwegserkrankungen aufgrund schlechter Luftqualität und zunehmende Risiken für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden.“[2]
Kein Wunder, dass es dazu immer mehr internationalen Austausch gibt: So war der 65. Kongress für Krankenhausmanagement in Villach Mitte Juni dem Thema „Green Hospital“ gewidmet. Und wenige Tage zuvor gab es online die „CleanMed Europe 2024“, die sich selbst als „Europe’s leading conference on sustainable healthcare“ bezeichnet. Angebot und Interesse an mehr Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit im Healthcare-Sektor sind enorm groß. Aber was heißt das für die klinische Forschung? Und wie kann diese nachhaltig agieren?
Klinische Forschung neu gedacht
Klinische Forschung wird künftig mehr als heute Nachhaltigkeitsparameter in ihre Studiendesigns mit einbeziehen müssen. Insbesondere gilt dies für die Auswirkungen der zunehmenden meteorologischen Extremereignisse, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. So sind beispielsweise Hitzewellen, Dürren oder Starkregenereignisse, die lokal konzentriert auftreten bzw. verstärkt auftreten werden, Einflussfaktoren auf Populationen und damit auch auf Settings und mögliche Ergebnisse klinischer Studienprojekte.
„Die enormen Datenmengen zu Gesundheit und Klimawandel können nur mit gemeinsamer Terminologie global verwertet werden.“
Nachdem es aber bisher an einer weltweitübereinstimmenden Terminologie dafür fehlt, stehen Ärzt:innen, Vertreter:innen der öffentlichen Gesundheit und Gesundheitsinformatiker:innen hier noch am Anfang einer adäquaten Auswertung der enormen Datenmengen. Eine Studie von Lokmic-Tomkins (Monash University, Australia) et al., die im November 2023 publiziert wurde, unterstreicht diese Notwendigkeit sehr deutlich: Daten über die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels sind auf globaler Ebene zu bündeln und auszuwerten.[3]
Der Fußabdruck klinischer Studien
Und wie steht es um die Auswirkungen der klinischen Forschung selbst auf die Umwelt?
Auf dem oben erwähnten CleanMed Kongress hat Johnson & Johnson dazu Daten zusammengefasst und präsentiert: Man geht von einer Gesamtzahl von weltweit 350.000 klinischen Studien aus, die gemeinsam 27,5 Millionen Tonnen an Treibhausgasen erzeugt haben. Hier sind alle Quellen von der Produktion bis zu den Emissionen der Studienstandorte/Krankenhäuser eingerechnet.[4]
„Wir müssen Umweltauswirkungen von klinischen Studien messen, analysieren und reduzieren – dazu arbeiten wir in der Branche zusammen.“
Für eine künftig noch genauere Messung der Emissionen aus klinischer Forschung hat sich in der Branche die Industry Low Carbon Clinical Trials Group (iLCCT) gegründet. Diese Gruppe bemüht sich um standardisierte Methoden zur Messung der Umweltauswirkungen von klinischen Studien und arbeitet an einem Open-Source-Algorithmus zur Vorhersage und Analyse der Umweltauswirkungen neuer Studiendesigns. Außerdem engagiert sich diese Gruppe für eine öffentliche Datenbank für den Austausch und das Benchmarking von verschiedenen Maßnahmen im gesamten Gesundheitssektor und erarbeitet ein öffentlich zugängliches Ökodesign-Tool zur Abschätzung der Umweltauswirkungen einfacher Versuchspläne.
Was kann getan werden?
Die Gruppe setzt sich aus unternehmensübergreifenden Initiativen zusammen, wie der Sustainable Healthcare Coalition, Pistoia Alliance und Sustainable Markets Initiative, und agiert als Vehikel für Kollaboration: Hier arbeiten Expert:innen sowie öffentliche und private Institutionen aus vielen Ländern zusammen, um Best Practices im Healthcare-Sektor zusammenzuführen und einen globalen Wissensaustausch zu diesem Thema zu fördern. Gemeinsam soll damit der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen und darin eingeschlossen auch bei klinischer Forschung vornagetrieben werden.
„Wir setzen konkrete Maßnahmen, um in der klinischen Forschung emissionsärmer zu arbeiten.“
Johnson & Johnson ist aktiver Teil dieser Bemühungen. Die Basis dafür sind die unternehmenseigenen Erfahrungen mit dem Thema Emissionen in klinischen Studien, die für die sektorweite wissenschaftliche Arbeit bereitgestellt werden. So hat das Unternehmen 2023 Lebenszyklusanalysen für acht klinische Studien in verschiedenen therapeutischen Bereichen durchgeführt. Damit können die wichtigsten Aktivitäten identifiziert werden, die den Großteil der CO2-Emissionen in diesen Studien verursachen. Diese Informationen helfen dabei, klinische Studien in Zukunft emissionsärmer zu gestalten, und zwar durch gezielte Maßnahmen wie z. B. die Minimierung von Arzneimittelabfällen, die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks der Probenlogistik im Zentrallabor und die Reduzierung der Reisen von Forschungsteilnehmer:innen und Mitarbeiter:innen. Hintergründe dazu bietet der „Health for Humanity Report“, der auf der ESG-Strategie des Unternehmens fußt.[5]
Es gibt hier noch viel zu tun; aber durch viele Schritte, die bereits gesetzt wurden, ist man vom Start schon ein gutes Stück weitergekommen.
Christian Gruber-Ghielmetti ist Medical Affairs Director bei Johnson & Johnson Innovative Medicine Austria.
[1] Walter E et al. Economic impact of industry-sponsored clinical trials of pharmaceutical products in Austria; J Med Econ; 2020; 23(6):566-574
[2] WHO: Climate change (12.10.2023) unter https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/climate-change-and-health (zuletzt aufgerufen am 1.7.2024)
[3] Lokmic-Tomkins Z et al.: Evaluating the representation of disaster hazards in SNOMEDCT: gaps and opportunities; Journal of the American Medical Informatics Association, 2023, 30(11), 1762–1772
[4] Laroche, J.; Adshead F.: Low-Carbon Clinical Trials: Ensuring the benefits of our therapies are not offset by the impact of our operations. CleanMed Europe June 2024, Oral Presentation
[5] Johnson & Johnson unter https://healthforhumanityreport.jnj.com/2023 (zuletzt aufgerufen am 1.7.2024)