FOPI.flash Jänner 2022

In dieser Ausgabe

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Editorial

Vorsorge statt Nachsorge

„Vorbeugen ist besser als heilen“ mag abgedroschen klingen. Die Volksweisheit hat aber mehr denn je Bedeutung. Nicht ohne Grund findet sich das Thema Prävention auch im Regierungsprogramm wieder, womit sich die Bundesregierung zu einer österreichweiten Präventionsstrategie bekennt, „damit die persönliche Gesundheit verbessert wird. Neben finanziellen und sachlichen Anreizen für die Teilnahme an Präventionsprogrammen soll die Prävention auch in Schulen und Betrieben gestärkt werden.“

Allein: An der konkreten Umsetzung mangelt es noch in weiten Teilen. Unverändert ist das heimische Gesundheitssystem primär auf Reparaturmedizin ausgerichtet. Diese passiert in Österreich zweifellos auf sehr hohem Niveau. Doch zu welchem Preis? Und mit welchen Folgen?

Ein gutes Beispiel ist Diabetes: In Österreich leiden geschätzt 641.000 Menschen an der sogenannten Zuckerkrankheit. Das verursacht direkt und indirekt Kosten von bis zu 2,9 Mrd. EUR, die volkswirtschaftlich geleistet werden müssen. Mit 0,62 % des BIP gibt Österreich deutlich mehr aus für die Diabetes-Behandlung als Länder wie Irland, Großbritannien oder die baltischen Staaten. Das kommt nicht von ungefähr: Großbritannien investiert stärker in Prävention, weist eine deutlich höhere Durchdringung mit Scans auf und kann Prädiabetes-PatientInnen somit deutlich früher erkennen und behandeln.

Das hilft den Menschen, die mehr Lebensjahre in Gesundheit verbringen. Das entlastet aber auch das Gesundheitssystem.

Deshalb wollen wir im Dialog mit maßgeblichen Stakeholdern konkrete Ideen entwickeln, wie Prävention in Österreich vorangetrieben werden könnte.

Bernhard Ecker, Tuba Albayrak & Wolfgang Kaps
Präsidium des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI)



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© Commonwealth Fund

Innovation Journey

Was unterscheidet die besten Gesundheitssysteme?

Kein Gesundheitssystem gleicht dem anderen, und vor allem in bestimmten Aspekten unterscheiden sich die Systeme der elf einkommensstärksten Länder mitunter maßgeblich. Der Commonwealth Fund hat eine detaillierte Analyse vorgenommen und Schlüsse gezogen. Teil 2 einer weiteren Innovation Journey.

Mit dem „Mirror 2021“ hat der Commonwealth Fund die Gesundheitssysteme der elf einkommensstärksten Länder verglichen und aufschlussreiche Trends aufgezeigt. Fünf Bereiche wurden dabei anhand von 71 Leistungskennzahlen genau analysiert:

  • Zugang zur Versorgung
  • Versorgungsprozess
  • Verwaltungseffizienz
  • Gerechtigkeit und
  • Outcome der Gesundheitsversorgung

Einen Überblick über die Ergebnisse und die Details zum Zugang zur Versorgung gibt es in der Dezember-Ausgabe des FOPI.flash. Diesmal unter der Lupe: Versorgungsprozess, Verwaltungseffizienz und gleichberechtigter Zugang zum Gesundheitssystem.

Top im Versorgungsprozess

Bei einem genaueren Blick auf den Versorgungsprozess stachen vor allem Neuseeland, die USA und die Niederlande hervor. Sie punkteten vor allem mit Versorgungssicherheit, einer routinemäßigen Überprüfung von Medikamenten und computergestützten Warnsystemen. Als Best Practice hervorgehoben wurde weiters die Kommunikation zwischen HausärztInnen und FachärztInnen, die in der Schweiz, in Neuseeland, Australien, Norwegen und Frankreich gut zu funktionieren scheint.

Webportale zur Abklärung medizinischer Fragen wurden in Norwegen und den USA am stärksten genutzt. Telemedizinische Konsultationen waren vor der Pandemie besonders in Schweden und Australien etabliert und bilden nun eine Quelle für Erfahrungswerte.

Weniger erfreulich: Kein einziges Land zeichnete sich aus Sicht des Commonwealth Fund durch eine gute Kommunikation zwischen Grund-/Primärversorgung, Krankenhaus, häuslicher Pflege und lokalen Sozialdienstleistern aus.

Wenig Papierkram

Bei der Verwaltungseffizienz taten sich einmal mehr Norwegen, Australien und Neuseeland hervor. Sie bewältigen die Dokumentation und andere bürokratische Aufgaben besonders unkompliziert. Schlusslicht sind die USA, wo PatientInnen viel Zeit mit der Einreichung von Arztrechnungen verbringen oder relativ häufig Probleme mit der Versicherungsdeckung haben.

Gleichberechtigter Zugang für alle

Ähnlich dazu liegen auch beim gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen Australien, Deutschland und die Schweiz an der Spitze. In diesen Ländern bestehen die geringsten einkommensbedingten Leistungsunterschiede in puncto Erschwinglichkeit, Pünktlichkeit, Prävention, sichere Versorgung und Patienten-Involvement. Wichtig ist aber: Zugangsgerechtigkeit und Qualität des Gesundheitssystems gehen nicht zwingend konform. Das heißt, es kommt vor, dass die einkommensbedingten Unterschiede in einem spezifischen Bereich zwar gering sind, aber die Leistung insgesamt vergleichsweise schlecht ist. Gleichzeitig können auf den ersten Blick gute Gesundheitsmaßnahmen über ausgeprägte Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen hinwegtäuschen. Ziel muss es jedenfalls sein, gute Leistungen für alle Gruppen zu bieten.

Im Detail nachzulesen im Bericht.

Den abschließenden Blick auf den Outcome der Gesundheitsversorgung und daraus abgeleitete Diskussionspunkte beleuchtet die nächste Ausgabe des FOPI.flash im Februar 2022.



close up. a group of scientists are testing new drugs.

Zahl des Monats

Mehr als 45

Medikamente mit einem neuen Wirkstoff erwartet der deutsche Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) für 2022. Das ist angesichts der starken Verschränkung der europäischen Märkte auch ein Indiz für die Entwicklung in Österreich. Wichtig dabei: Die intensive Forschung und Entwicklung der Pharma-Unternehmen zu COVID-19 geht nicht auf Kosten anderer Therapiegebiete. Mehr als ein Viertel der neuen Therapien richtet sich gegen Infektionskrankheiten, ein weiteres Viertel gegen Krebserkrankungen. Auch gegen seltene Gendefekte werden neue Behandlungsmöglichkeiten erwartet. Mit einem breit gefächerten Spektrum innovativer Medikamente – etwa gegen HIV, Wachstumsstörungen oder Migräne – dürfte 2022 also an das erfolgreiche Vorjahr anknüpfen.

Quelle: Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)



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© accelent communications

Podcast

Am Mikro|skop – Der ökologische Aspekt von Arzneimitteln

Wie grün sind unsere Medikamente? Was tun Pharmaunternehmen, um Umwelteinflüsse gering zu halten? Welche Bedeutung kommt der Pharmaindustrie in der Klimakrise zu? Und welche Initiativen werden gesetzt, um mehr Nachhaltigkeit zu erzielen? Diese Fragen diskutiert Corinna Milborn in der siebenten Episode von Am Mikro|skop mit Dr. Wolfgang Bonitz (Head Corporate Social Responsibility, Novartis Pharma) und Dr. Jörg Adrian (VP Technical Organisation and Innovation, Constantia Flexibles International). Diese und alle anderen Episoden des – gemeinsam mit dem Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und Chemiereport/Austrian Life Sciences produzierten – Podcasts finden Sie hier: www.chemiereport.at/am-mikroskop



Bernhard Ecker (c) Novo Nordisk_mattobserve

© mattobserve

Blog

Was kostet Gesundheit? Was ist sie wert?

Gesundheit ist ein Wirtschaftsfaktor. Das lässt sich mit – auf den ersten Blick langweiligen – Zahlen belegen. Doch das beeindruckt die Wenigsten. Dabei würde es sich lohnen, Kosten und Nutzen gesamtheitlich zu bewerten, meint FOPI-Präsident und Blog-Autor Bernhard Ecker. Denn nur dann haben wir eine echte Basis, um uns die Frage zu beantworten: Was ist uns die Gesundheit wert? Lesen Sie mehr im neuen FOPI.Blog!


Michael Kreppel-Friedbichler (c) Stefan Csaky

© Stefan Csaky/Biogen

FOPI Führungspersönlichkeiten im Gespräch

Michael Kreppel-Friedbichler: Mehr Blick auf die Lösung statt auf die Hürden

Im Gesundheitssystem müssen wir alle das Patientenwohl in den Mittelpunkt rücken und darüber hinaus ganzheitlich den volkswirtschaftlichen Nutzen von innovativen Therapien berücksichtigen, spricht Michael Kreppel-Friedbichler, General Manager bei Biogen Österreich, im Interview mit FOPI.flash klare Worte.

Sie konnten internationale Erfahrungen sammeln und haben zweifellos einen differenzierten Blick auf den österreichischen Gesundheitssektor. Welche Trends nehmen Sie wahr? Wie wird der Wert von Arzneimittel-Innovationen gesehen?

Österreich hat ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem, ich nehme aber wahr, dass in den Strukturen des österreichischen Gesundheitswesens die PatientInnen manchmal nicht alleinig im Fokus stehen. Das System ist in einigen Bereichen wenig übersichtlich und an bestimmten Schnittstellen unklar. Nicht zuletzt die Komplexität der Zuständigkeiten – Bund, Länder, Krankenhaus, niedergelassener Bereich – sorgt immer wieder für Reibungsverluste, auch zum Leidwesen der PatientInnen, die zwischen den einzelnen Stellen hin und her geschickt werden. Die Therapieentscheidung sollte alleinig anhand medizinischer Gesichtspunkte vom behandelnden Arzt gemeinsam mit der/m PatientIn getroffen werden. Systemfragen dürfen hier keinen Einfluss auf die Therapieentscheidung haben.

Wir haben einen klaren Fokus, neue innovative Therapien zu entwickeln. Aufgrund der Komplexität des Systems und unterschiedlicher Zuständigkeiten müssen PatientInnen im europäischen Vergleich auf einige Innovationen oft zu lange warten, bis sie eine Chance haben diese neuen Arzneimittel zu bekommen. Das System soll Innovation beschleunigen und nicht bremsen. Bei vielen Therapien sind eine frühe Diagnose und ein rascher Therapiestart entscheidend für den Erfolg.

Was schätzen Sie am österreichischen System?

Das Gesundheitssystem in Österreich verfügt über eine sehr gute Infrastruktur, eine hohe Exzellenz in der Forschung und ist vom Ansatz her bestrebt, einen breiten und frühen Zugang  zu Arzneimitteln für alle Menschen, unabhängig vom sozialen Status, zu ermöglichen. Auch investiert das Land im internationalen Vergleich relativ viel in den Gesundheitsbereich. Derzeit entwickelt sich auch eine Start-Up- und Innovationsszene im Gesundheitsbereich, die eine Chance auf viele neue Lösungen bietet. Jetzt gilt es das Momentum, welches durch die Pandemie entstanden ist, aufzunehmen und die Nutzung von Daten und digitalen Gesundheitslösungen voranzubringen. Hier können wir auch einiges von anderen europäischen Partnern lernen und über die Grenzen von Österreich hinaus Neues schaffen.

Können Sie über ein Beispiel aus Ihrem unmittelbaren Bereich berichten, das sinnbildlich für Ihre Einschätzung stehen kann?

Durch die Nutzung von vorhandenen Gesundheitsdaten könnte Innovation noch weiter vorangetrieben werden. Im Bereich der Forschung und Entwicklung sowie in der Weiterentwicklung von Prozessen ist hier vieles möglich. In Österreich wird der Blick oft am Anfang auf die zu überwindenden Hürden wie Datenschutz gelegt, anstatt ein Ziel und einen möglichen Weg dorthin zu definieren. Dadurch verlieren wir viel Zeit und Energie.

In Deutschland beispielsweise gibt es schon ein rechtliches Framework, wie die Erstattung und Finanzierung von digitalen Gesundheitsanwendungen möglich ist. In Österreich sind wir noch am Anfang des Diskussionsprozesses. Hier ist das österreichische Gesundheitssystem gefordert den nächsten Schritt zu setzen, indem man alle Partner des Gesundheitswesens an einen Tisch bringt und gemeinsam – mit Blick auf die Lösung – bespricht, wie man alle Hürden aus dem Weg räumen könnte, statt vor den Hürden stehen zu bleiben.

Was müsste getan werden, damit die Versorgung heimischer PatientInnen mit innovativen Arzneimitteln für die Zukunft sichergestellt ist?

Wir beschränken uns bei der Erstattung von innovativen Medikamenten noch viel zu sehr auf Preise und Kosten. Aus meiner Sicht sollten auch Faktoren wie Lebensqualität, Sicherheit und vor allem der PatientInnennutzen sowie eine ganzheitliche Betrachtung des volkswirtschaftlichen Nutzens mehr in den Mittelpunkt bei Erstattungsfragen rücken. Zudem wäre es wichtig, bei der Beurteilung von Innovationen sich vom – oftmals eher eindimensionalen – Denken (in lediglich relativen Nutzenbewertungen zu bestehenden Vergleichstherapien) zu lösen und den Blick auf gesamtgesellschaftliche Potenziale/Einsparungen zu weiten. Das wird im Moment unzureichend berücksichtigt.

Das echte Anliegen im Gesundheitssystem muss stets im Auge behalten werden: Jede/r, der im oder mit dem Gesundheitssystem arbeitet, muss das PatientInnenwohl in den Mittelpunkt stellen. Das System darf nicht zum Selbstzweck werden

Über Biogen  

Als Pionier in den Neurowissenschaften erforscht und entwickelt Biogen innovative Arzneimittel für Menschen mit schweren neurologischen und neurodegenerativen Erkrankungen. Biogen wurde1978 als eines der ersten globalen Biotechnologieunternehmen gegründet und verfügt heute über das umfangreichste Medikamenten-Portfolio zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS), die erste zugelassene krankheitsmodifizierende Therapie gegen spinale Muskelatrophie (SMA) und bietet die erste und einzige, in den USA zugelassene Therapie, die eine entscheidende Pathologie der Alzheimer-Krankheit adressiert. Biogen entwickelt zudem Biosimilars und arbeitet an der Weiterentwicklung der branchenweit am stärksten diversifizierten Pipeline im Bereich der Neurowissenschaften, die den Behandlungsstandard für PatientInnen in mehreren Therapiebereichen mit hohem ungedecktem Bedarf verändern wird. Rund 9.000 MitarbeiterInnen arbeiten in 40 Niederlassungen weltweit. Seit 1997 ist Biogen mit einem Büro in Wien vertreten.