Der Wert einer Therapie muss sich am Patient:innennutzen orientieren

Jens Weidner_k
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Eine der zentralen Fragestellungen im Gesundheitssystem ist die der Bewertung von Medikamenten und deren faire Preisgestaltung. Eine effiziente Medikamentenbewertung sollte Innovation und Forschung fördern und darüber hinaus den Pharmastandort Österreich stärken. Im Mittelpunkt aber muss der rasche und breite Zugang für Patientinnen und Patienten in Österreich stehen, damit diese von innovativen Therapien bestmöglich profitieren können. Ganz wesentlich ist auch, die Nachhaltigkeit und Finanzierbarkeit unseres Gesundheitssystems sicherzustellen.

Wie können nun bestmöglich all diese Ziele verwirklicht werden?

„International etabliert hat sich eine Preisgestaltung, die sich zentral am Patient:innennutzen orientiert.“

Dieser wird durch zwei Parameter definiert:

  • Verlängert die neue Therapie das Leben der Patient:innen?
  • Verbessert sich die Lebensqualität?

Als Vergleich werden die etablierten Standardtherapien verwendet. Zusätzlich werden auch vermiedene und andere mit der Behandlung assoziierte Kosten berücksichtigt.

„Kritiker:innen dieser Preisgestaltung fordern eine Ausrichtung der Medikamentenpreise an den Produktions- oder Forschungskosten.“

Dies wäre aber für die Innovationskraft des Gesundheitswesens fatal: Die Kopplung der Preise an die Produktionskosten würde zu einem signifikanten Rückgang der Forschungstätigkeit führen, da diese nicht entlohnt werden würde. Auch eine Kopplung an die Forschungskosten eines einzelnen Medikaments würde paradoxerweise zu einem Rückgang der Forschungstätigkeit insgesamt führen: Tausende Substanzen müssen erforscht werden, multiple Wirkungsmechanismen in klinischen Studien getestet werden, damit eine einzige, neue Therapieoption zugelassen wird. Die Berücksichtigung des Risikos in der Medikamentenforschung ist elementar: Auch die „erfolglosen“ Versuche müssen in der Preisgestaltung berücksichtigt werden, damit Fortschritt und Innovation überhaupt möglich werden.

„Den Wert (und damit den Preis) einer Therapie am Patient:innennutzen auszurichten, hat sich in der Praxis als enorm erfolgreich erwiesen.“

Dies erzeugt die Lenkungswirkung, dass Ressourcen genau dort in der Forschung eingesetzt werden, wo sie den größten Nutzen für potenzielle Patient:innen erzielen. Nur so waren die bahnbrechenden Therapieerfolge in der Behandlung von Krebs, HIV, Hepatitis C und vielen anderen Krankheiten möglich.

Einzig im Bereich der seltenen Erkrankungen (Orphan Diseases) lässt sich dieses Prinzip nur begrenzt anwenden. Aufgrund der kleinen Patient:innenzahlen ist die Lenkungswirkung in diesem Bereich deutlich geringer. Daher muss für Orphan Diseases unsere Gesellschaft eine Diskussion darüber führen, ob und wieviel wir bereit sind, zusätzlich zu investieren, und ob andere Anreize, wie z.B. eine Verlängerung des Patentschutzes, die Forschungstätigkeit erhöhen könnte.

Was heißt das jetzt für Österreich?

Im Spitalsmarkt herrscht zwischen den meisten Stakeholdern darüber Konsens, dass österreichische Patient:innen mit der bestmöglichen Therapie behandelt werden sollen. Dementsprechend ist auch im Krankenanstaltengesetz (KAKuG) entsprechend postuliert, dass nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu therapieren ist. Hinzu kommt, dass viele Budgetverantwortliche und Entscheidungsträger:innen aktuelle oder ehemalige Behandler:innen sind und daher eine am Patient:innennutzen ausgerichtete Preisgestaltung begrüßen. Daher haben wir im Spital de facto einen sehr guten Zugang zu innovativen Therapien – hiervon profitieren wir alle.

Problematischer gestaltet sich der Kassenmarkt. Hier werden in der Praxis Preise gefordert, die Innovationen und Patient:innennutzen nicht oder nicht ausreichend honorieren, in der Folge signifikant unter dem europäischen Durchschnittspreis liegen und daher von der pharmazeutischen Industrie oftmals nicht angeboten werden können. Hier wäre es dringend geboten, das ASVG und den EKO so abzuändern, dass der Patient:innennutzen ausreichend reflektiert wird und auch in Österreich innovative Therapien durchgängig zuverlässig die Patient:innen erreichen.

„Unser Ziel als forschende Industrie ist es, einen schnellen und breiten Zugang zu innovativen Therapien für die Patient:innen in Österreich sicherzustellen …“

… und die Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems insgesamt zu sichern. Wir sind gerne bereit, auch weiterhin signifikant in Forschung und Entwicklung in Österreich zu investieren, und sind offen für neuartige Ansätze wie Outcome-based (sog. Pay-for-Performance) Preismodelle – mit dem Ziel, den Nutzen unserer Therapien für die Patient:innen in Österreich weiter zu erhöhen. Um das Gesundheitssystem für die Zukunft fit zu machen und für Innovationen zu öffnen, werden wir auch weiterhin im ständigen Dialog mit allen Akteur:innen bleiben.

Jens Weidner ist Market Access Director bei Bristol Myers Squibb.