Unangetastete Probleme der Sozialversicherung

Mit der Neuorganisation der Struktur der österreichischen Sozialversicherung scheint die Bundesregierung eine Aufgabe erledigt zu haben. Wenn nun aber die neuen fünf SV-Träger ins Arbeiten kommen, bleiben viele Probleme bestehen, die uns schon in der Vergangenheit begleitet haben.

Die Risikostruktur

Zum einen haben die drei verbliebenen Krankenversicherer ÖGK (GKKn), SVS (SVA, SVB) und BVAEB (BVA, VAEB) weiterhin völlig unterschiedliche Versichertenstrukturen, was deren Risiken anbelangt: Arbeitslosigkeit, Beitragsausfall durch Konkurse, gesundheitsbelastende Berufe, Kontinuität der Einkommensentwicklung usw. unterscheiden sich massiv. Es fehlt weiterhin ein finanzieller Ausgleich der Risiken unter den Kassen, wie ihn andere Länder bereits implementiert haben und wie ihn auch die jüngsten Studien zur Sozialversicherung (LSE, c-alm, IHS) unisono fordern. Als Ergebnis wird weiterhin die Beamtenkasse die mit Abstand besten Leistungen bieten, während die ÖGK zum Minimalprogramm verdammt bleibt. Die solcherart unterfinanzierte ÖGK wird auch künftig auf Hilfe von außen angewiesen sein, sprich: Bund, Pensionsversicherung und Wirtschaft. Wenn die nicht erfolgt, werden teure Therapiefälle noch mehr als bisher in die Spitäler abgeschoben, worauf sich diese dann gegenseitig die Patienten weiterreichen.

Transparente Rechnungslegung

Weiterhin werden wir eine transparente Rechnungslegung der fünf Träger vermissen, die auch ein vernünftiges Benchmarking ermöglicht und den Versicherten detaillierten Einblick via Internet erlaubt. Woran schon der Hauptverband gescheitert ist, wird auch der neue Dachverband scheitern müssen: Man kann einer „Selbstverwaltung“ nicht wirksam eine Steuerung überordnen, weil sich dann die Selbstverwaltung nicht mehr selbst verwaltet, sondern von außen steuern lassen würde, was wiederum den Prinzipien der Selbstverwaltung widerspricht. Wer immer als Manager im neuen Dachverband etwas erreichen will, ist auf den guten Willen und die Kooperationsbereitschaft der Funktionäre in den Selbstverwaltungsträgern angewiesen. Ob die im neuen § 444 ASVG vorgesehenen Weisungsrechte der Sozialministerin in Bezug auf die Rechnungslegung verfassungsrechtlich halten, bleibt noch abzuwarten. 

Die Aufsicht

Wie überhaupt die ministerielle Aufsicht in der Vergangenheit ebenso schwach war, wie sie es in der Zukunft zu bleiben droht. Beispielsweise war die Pflege von Sonderpensionsrechten der SV-Mitarbeiter im Volumen von 330 Mio. €  jährlich allen Ministern ebenso gleichgültig wie das Vernachlässigen der hausärztlichen Versorgung oder das Neben- und Durcheinander von unterschiedlichen IT- und Beschaffungsgesellschaften, in die verschiedene Träger ihre Arbeit ausgelagert haben. Auch die drei Fusionsprojekte SVS, ÖGK und BVAEB auf dem Weg zur neuen Organisationsstruktur werden jetzt von unterschiedlichen Consultingfirmen jeweils unabhängig voneinander begleitet. Jeder Träger macht alles für sich – wie bisher.

Für den großen Überblick und für eine koordinierte Steuerung des Milliardenapparats Sozialversicherung hat sich schon sehr lange kein Sozialminister mehr ehrlich interessiert. Und das setzt sich fort. Hauptsache der mediale Verkauf der „Reform“ war gut.

Gastkommentar von Mag. Gerald Loacker, Abgeordneter zum Nationalrat (NEOS)