EU Pharmaceutical Legislation – Von Intention und Realität

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Jüngst hat die EU-Kommission ihren lang erwarteten Vorschlag für eine neue EU-Arzneimittelgesetzgebung veröffentlicht. Dem Anspruch, damit den Standort Europa und die Gesundheitsversorgung zu stärken, wird sie damit aber nicht gerecht, meint FOPI-Generalsekretärin Ines Vancata.

Am 26. April 2023 hat die Europäische Kommission nach einigen Verzögerungen ihren Vorschlag zur Überarbeitung der EU-Arzneimittelgesetzgebung veröffentlicht. Sie erhebt den Anspruch, eine der bedeutendsten Reformen im pharmazeutischen Bereich seit über 20 Jahren zu werden. Und wenn man die Headlines liest, kann man den Grundgedanken durchaus etwas abgewinnen. Arzneimittel in allen Mitgliedstaaten frühzeitig für Patient:innen verfügbar zu machen, gleichzeitig Innovationen zu unterstützen und dabei die Wettbewerbsfähigkeit der Pharmaindustrie und den Standort Europa zu fördern. Das klingt nicht nur nachvollziehbar, sondern durchaus erstrebenswert. 

Nachdem jedoch das Dokument im Frühjahr geleakt wurde, gab es schon einige Diskussion und auch Besorgnis, dass die geplanten Maßnahmen nicht nur massive Auswirkungen auf Forschung & Entwicklung von Innovationen, sondern auf die gesamte pharmazeutische Branche in Europa haben könnten.

Erfüllen die Verordnungsentwürfe die Ziele eines schnellen Zugangs zu Innovation?

Bei der rezent vorgelegten Revision stellt sich nun die Frage, inwieweit die Verordnungsentwürfe nachhaltig ihre angestrebten Ziele wie “fast and equal access” erreichen sollen – von “fostering innovation” ganz zu schweigen. Europa steht als Innovationsstandort im Wettbewerb mit potenten globalen Playern – China und Indien seien hier als Beispiele genannt – und verliert zunehmend an Bedeutung und Attraktivität. Von den gesamten F&E-Investitionen, die in den USA, Europa, China und Japan getätigt werden, entfallen nur 31 % auf Europa. Dieser Anteil ist von 41 % im Jahr 2001 stetig gesunken. Die USA haben im Gegenzug ihre Forschungsausgaben in den letzten 20 Jahren von 2 Mrd. USD auf 25 Mrd. USD erhöht. Und während in den 1990er Jahren die Hälfte aller neuen Medikamente aus Europa kamen, ist es heute eines von fünf Medikamenten.

Die Rahmenbedingungen für die pharmazeutische Industrie werden in vielen Bereichen verschlechtert und schwächen den Standort Europa. Beschneidungen im Patentschutz sowie zeitliche Vorgaben für den uniformen Markteintritt ohne Berücksichtigungen lokaler Strukturen und Prozesse dienen nicht dem Vorhaben einer zukunftsgerichteten und innovationsfreundlichen und auch wettbewerbsfähigen Pharmastrategie – und dies ist auch nicht im Sinne der Bürger:innen Europas.

Natürlich sind Bestrebungen hinsichtlich regulatorischer Verbesserungen und Effizienzsteigerungen der EMA-Struktur und -Prozesse zu begrüßen. Gleichzeitig wird die innovative pharmazeutische Industrie in vielen Bereichen nachhaltig geschwächt.

Wie wollen wir als kleines Land und Standort mit vergleichsweise frühem Zugang zu innovativen Therapien im globalen Kontext ein attraktives Umfeld schaffen, in dem Innovation gefördert und gewürdigt wird?

Warum reden wir über ein Maßnahmenpaket gegen die innovative pharmazeutische Industrie anstelle über eine nachhaltige Strategie mit neuen Ideen, um Europa zukunftsfit und wettbewerbsfähig zu machen? Die Pandemie hat gezeigt, wie essentiell das Thema “Gesundheitsstandort Europa” ist. Eine Schwächung des Life Science Sektors ist weder hilfreich noch ein gemeinsamer Weg in die Zukunft.

Die nächsten Monate werden zeigen, inwieweit alle Interessensgruppen an diesen Fragestellungen zusammenarbeiten werden, um das vorgelegte Paket entsprechend zu überarbeiten und die richtigen Schritte für eine nachhaltige Zukunft des Life Science Sektors in Europa sicherzustellen.

Dr. Ines Vancata ist Chapter Lead Ecosystem Partnering bei Roche Austria und Generalsekretärin des FOPI.