Einfach zu merken – die steigende Bedeutung von Alzheimer
© Dr. Eva Gruber
Begriffe wie „Alzheimer“ oder „Demenz“ werden vielfach in der Alltagssprache verwendet. Was diese Begriffe aber tatsächlich bedeuten, ist oft unklar. Fakten dazu werden vermischt oder verkürzt wiedergegeben, sodass Vorurteile entstehen und Betroffene – aber auch Nicht-Betroffene mit ähnlichen Symptomen oder anderen Krankheitsbildern – oft Stigmatisierung erleben.
Der Ausdruck „Demenz“ beschreibt zunächst nur ein Syndrom, also eine Kombination von verschiedenen Krankheitszeichen. Diese Krankheitszeichen (auch: „Symptome“) sind beim Syndrom „Demenz“ in Bereichen der kognitiven Leistungsfähigkeit angesiedelt und umfassen beispielsweise Gedächtnisprobleme, eingeschränktes Denkvermögen, Orientierungsverlust, aber auch Störungen der Sprachbeherrschung.
„Es handelt sich bei Demenz also nicht um eine einzelne Krankheit, sondern um die Auswirkung verschiedener Krankheitsbilder, die ähnliche Symptome haben, aber unterschiedliche Ursachen.“
Aktuell sind davon in Österreich rund 150.000 Menschen betroffen; Expert:innen gehen von einer Verdoppelung bis 2050 aus, die vor allem auf die demographische Entwicklung samt steigender Lebenswartung zurückzuführen ist. Die Alzheimer-Krankheit ist unter den Demenz-Erkrankungen mit einem Anteil von rund 60 – 70 % die häufigste. Aktuell betragen die Kosten für die medizinische Behandlung von Demenz in Österreich ca. 2,7 Milliarden Euro. Das entspricht 3,9 % der Gesundheitsausgaben in Österreich, und zwar noch ohne den nötigen Betreuungsaufwand.
150.000 Menschen in Österreich sind von Demenz betroffen, bis 2050 sogar doppelt so viele
Bei Alzheimer lagern sich veränderte Eiweiße – sogenannte Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen – im Gehirn ab. Dies führt über einen sehr komplexen Mechanismus zu Störungen der Kommunikation zwischen Gehirnzellen. Zunächst treten typischerweise Gedächtnisprobleme auf, die noch nicht schwer genug sind, um als „Demenz“ bezeichnet zu werden. Man nennt dies „Mild Cognitive Impaiment“ oder „MCI“. Wenn die Erkrankung fortschreitet, kommt es schließlich zum Verlust von Nervenzellen, und es treten gravierendere kognitive Störungen auf, die schließlich schwer genug werden, um den Alltag deutlich zu beeinträchtigen. Erst hier würde man von einer „Alzheimer-Demenz“ sprechen.
Typischerweise werden die Gedächtnisprobleme schwerer und häufiger und die Orientierung im Alltag beginnt zu leiden, sodass auch gewohnte Umgebungen fremd erscheinen. In der Spätphase sind geistige und auch körperliche Funktionen oft massiv eingeschränkt; hier kommt es dann dazu, dass selbst nahe Angehörige nicht mehr erkannt werden und die Betroffenen umfassende Pflege benötigen. Sehr wichtig ist es, zu bedenken, dass dies nicht immer, und vor allem nicht bei jedem Menschen auf die gleiche Art passiert. Auch ist das Auftreten von Gedächtnisstörungen nicht zwangsweise die Folge von beginnendem Alzheimer. Es gibt viele Ursachen für Gedächtnisprobleme, die nicht krankhaft sind. Als Ärztinnen und Ärzte helfen wir dabei, hier die Unterschiede herauszufinden. Durch eine umfassende Abklärung und ausführliche Gespräche lassen sich oft viele der teilweise komplexen und schwer überschaubaren Zusammenhänge gut erklären, sodass Unklarheiten vermindert und Zukunftsängste reduziert werden können.
„Nur weil man vergesslich wird, heißt das noch nicht, dass eine Demenz-Erkrankung wie etwa Alzheimer vorliegen muss.“
Erste Anzeichen ernst nehmen
Viele Menschen fragen sich, wie sie erste Anzeichen für eine Alzheimer-Erkrankung erkennen können. Ein typisches Symptom ist die episodische Gedächtnisstörung: Man kann sich im Gegensatz zu früher an bestimmte Gesprächsinhalte und Aktivitäten der jüngsten Vergangenheit nicht mehr erinnern. Weil dies aber auch andere Gründe haben kann, ist ein Gespräch mit dem Hausarzt bzw. der Hausärztin der erste Schritt. Hier sind Hausärzt:innen, aber auch wir alle als Gesellschaft gefragt, auf die ersten Anzeichen mehr zu achten und zu reagieren. Wir müssen also mehr Bewusstsein für die Symptome und ihre richtige Bewertung schaffen. Der nächste Schritt ist ein Termin bei der Neurologin oder dem Neurologen. Zur Diagnosestellung gibt es eine Reihe erprobter Methoden: von neuropsychologischen Testverfahren, um kognitive Fähigkeiten zu erfassen, bis zu bildgebenden Verfahren wie etwa ein MRT des Gehirnschädels oder PET-Scans, um Veränderungen im Gehirn sichtbar zu machen oder Untersuchungen des Nervenwassers.
„Bereits entwickelte Alzheimer-Therapien warten in Österreich noch auf Zulassung.“
Und dieses frühzeitige Abklären ist wichtig: Denn inzwischen hat die pharmazeutische Forschung bereits Mittel gefunden, die den Verlauf der Krankheit zumindest verzögern. Diese Medikamente – Antikörper gegen Beta-Amyloid – sind nur für Patient:innen mit Alzheimer im Anfangsstadium und ohne wesentliche Begleiterkrankungen entwickelt, wirksam und sicher. Allerdings sind diese in Österreich – im Gegensatz zu anderen Ländern – noch nicht zugelassen, die entsprechenden Verfahren laufen jedoch bereits. Im Falle einer Zulassung müssen noch Strukturen ausgebaut werden, um die Patient:innen-Sicherheit bei Therapie mit diesen nicht nebenwirkungsfreien Medikamenten zu gewährleisten. Wenn das alles geschafft ist, sollte es aber möglich sein, die neuen Therapien für bestimmte Personen anzubieten. Unabhängig davon aber gilt: Je eher die medizinische Abklärung erfolgt, desto früher gibt es auch eine fundierte Diagnose, und somit kann auch rascher mit der Therapie, etwa der Gabe von derzeit bereits verfügbaren Medikamenten, begonnen werden. Das ermöglicht Patient:innen, sich früher auf die Erkrankung und ihre möglichen Folgen einzustellen und ihr Leben entsprechend zu planen. Auch die Teilnahme an neuen Medikamentenstudien wird durch eine frühe und sichere Diagnose erst möglich gemacht.
Gesundheitspolitik muss Zugang zu Diagnose und Therapie erleichtern
Betroffene sollten frühzeitig die medizinische Beratung suchen, damit die Zeiträume zwischen dem Auftreten erster Symptome und Diagnose verkürzt werden können. Derzeit ist diese Phase noch recht lang und kann Monate, aber auch Jahre betragen.
„Bei einem früheren Check können rechtzeitig andere ähnliche Erkrankungen erkannt oder ausgeschlossen werden. Hier ist die Gesundheitspolitik gefordert, den Zugang zu Diagnose und Therapie möglichst unkompliziert zu ermöglichen.“
Die Bereitstellung finanzieller Mittel zum Ausbau der Versorgungsstrukturen ist ein wesentlicher Aspekt, es geht aber auch ganz vorwiegend darum, einen guten Dialog zwischen Betroffenen, Ärzt:innen und politischen Entscheidungsträger:innen zu pflegen, um Strukturänderungen auch zielorientiert umsetzen zu können. Nur so kommen die Mittel auch dort an, wo sie am meisten gebraucht werden.
Betroffene und ihre Angehörigen finden Expertise und Unterstützung in den Gedächtnisambulanzen vieler Kliniken in Österreich, bei niedergelassenen Fachärzt:innen für Neurologie und Psychiatrie, aber auch bei Informations- und Patientenorganisationen wie beispielsweise ProMenz, Alzheimer Austria oder MAS Alzheimer Hilfe.
Dr. Stephan Seiler, PhD forscht an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Graz.
Dieser Beitrag wurde von Eli Lilly GesmbH unterstützt. Der Experte hat für das Gespräch kein Honorar erhalten.