Vor Digital Health kommt Digital Research
FOPI: Vor Digital Health kommt Digital Research
Digital Health ist in aller Munde. Die wahre Bedeutung und vor allem Herausforderung der Digitalisierung wird jedoch innerhalb der Pharmabranche noch zu wenig thematisiert, ist Dkfm. Manuel Reiberg, Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI) überzeugt. „Insbesondere die Auswirkungen auf die Forschung werden in vielen Überlegungen zu wenig beachtet. Dabei bedeutet die Digitalisierung gerade für die medizinische Forschung eine echte Disruption.“
Das FOPI will deshalb als Speerspitze der forschenden Pharmaindustrie das Thema innerhalb der Branche verstärkt in Diskussion bringen.
„Die zunehmende Digitalisierung ist für die Medizin keine Evolution, sondern eine Revolution“, so Reiberg. „Darüber sind sich die Fachleute weitgehend einig. Denn sie bewirkt weitreichende Veränderungen und betrifft nahezu alle Bereiche des Gesundheitssektors.“
Internet of Medical Things
Das „Internet of Medical Things“ umfasst ein regelrechtes Ökosystem von vernetzten medizinischen Technologien, die die unterschiedlichsten Bereiche der Gesundheitsvorsorge und der Betreuung kranker Menschen verbinden: Auf kommunaler Ebene führen digitale Innovationen beispielsweise zu effizienteren, mitunter lebensrettenden Abläufen in der Notruf- und Rettungskette. Im Gesundheitssektor haben sich Online-Beratungsangebote von staatlichen Stellen bis hin zu Selbsthilfegruppen einen nicht mehr wegzudenkenden Platz erkämpft. Im Haushalt unterstützen smarte Tools kranke Menschen in der Bewältigung des Alltags. Rund um den Körper helfen Handy-Apps oder tragbare Geräte chronisch Kranken wie zum Beispiel Diabetikern, notwendige Messungen vorzunehmen, die richtige Medikamenteneinnahme zu managen und so Therapietreue zu erzielen. Bei den Ärzten und in den Krankenhäusern hat die Digitalisierung den Informationsfluss, die Analyse- und Diagnosemöglichkeiten sowie die Patientenüberwachung und -betreuung in eine andere Liga katapultiert. Und auch der Lebenszyklus eines Arzneimittels bzw. Impfstoffes wird heute von der Grundlagenforschung bis zum Einsatz am Patienten von digitalen Abläufen begleitet und beeinflusst. Kurzum, Digital Health durchzieht sämtliche Gebiete.
Digital Research
„Digitale Technologien haben aber auch lange vor den eingespielten Abläufen des ‚Gesundheits-Alltags‘ eine enorme Bedeutung“, betont Reiberg, „denn die Digitalisierung beeinflusst auch die – an sich schon hoch vernetzte – Forschung auf neue Weise.“
Die Datenflut, der sich Forscher weltweit gegenübersehen, kann z.B. durch integrierte Plattformen und Entwicklungen wie dem Computerprogramm Watson unvergleichlich schneller strukturiert erfasst und verarbeitet werden. Die Kommunikation zwischen Forschern, Ärzten, Industrie und Patienten wird dadurch auf eine höhere Stufe gehoben.
Manche Unternehmen teilen im Rahmen so genannter „open innovation models“ ihre Erkenntnisse mit der internationalen Scientific Community, um in Bereiche vorzudringen, wo dringender medizinischer Bedarf und große Herausforderungen bestehen. Ein solches Programm zielt etwa darauf ab, durch intensive Zusammenarbeit zwischen Geldgebern, Forschern und akademischen Gruppen das Verständnis für afrikanische Patienten mit nicht übertragbaren Krankheiten zu erhöhen. Die translatorische Forschung integriert dabei Laboruntersuchungen, klinische Forschung und bevölkerungsbezogene Forschung. „Open innovation“ ist nur mit massiver digitaler Unterstützung möglich.
Auch klinische Studien verlaufen durch die zunehmende digitale Vernetzung wesentlich zielgerichteter, effektiver und erfolgversprechender. Und bei der Entwicklung innovativer Arzneimittel nimmt Digital Research ohnedies einen wesentlichen Stellenwert ein. Beispielsweise werden beim Antibody-Engineering die hochkomplexen Moleküle mit einem 3D-Modelling Verfahren digital simuliert, um bereits in frühen Forschungsphasen zu analysieren, wo und wie ein Wirkstoff am gewünschten Ziel „andocken“ kann. Für die Krebsforschung sind die digitale Vernetzung, Auswertung und Analyse aus Bioinformatikdatenbanken wichtig, um neue präzise Ansatzpunkte für die Behandlung von Krebserkrankungen zu finden. Dafür liefern hochmoderne Diagnoseverfahren wie „Next-Generation-Sequenzing“ oder „Liquid Biopsy“ wesentliche Informationen über genetische Veränderungen im Tumor.
Ziel: Innovationen schneller für die Patienten verfügbar zu machen
„Ziel bei all diesen Ansätzen ist es jedenfalls, Innovationen schneller für die Patienten verfügbar zu machen. Vor Digital Health steht also Digital Research. Auf diesem Gebiet können wir aber noch besser werden“, zeigt sich FOPI-Präsident Reiberg selbstkritisch. „Die Pharmaindustrie ist im Bereich der Digitalisierung kein ‚first mover‘. Nicht zuletzt, weil der Sicherheitsaspekt eine große Rolle spielt und ein Stück weit bremsend wirkt. Umso mehr müssen wir hier unsere Anstrengungen intensivieren.“
Nähere Infos zum Thema finden Sie auch auf APA–SCIENCE, dem Wissenschaftsnetzwerk der APA, an dem das FOPI partizipiert: science.apa.at
Über FOPI
Das Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie FOPI ist die österreichische Interessenvertretung von 27 internationalen Pharmaunternehmen mit Fokus auf Forschung und Entwicklung. Als Partner im Gesundheitswesen setzt sich FOPI für den Zugang zu innovativen Arzneimitteln und damit für die bestmögliche medizinische Versorgung in Österreich ein. Im Dialog mit Patientenorganisationen, Verschreibern und Kostenträgern trägt FOPI dazu bei, drängende gesellschaftliche Probleme zu lösen.