Shirley Gil Parrado – General Manager Novartis Pharma GmbH, Wien
Sie konnten internationale Erfahrungen sammeln und haben zweifellos einen differenzierten Blick auf den österreichischen Gesundheitssektor. Welche Trends nehmen Sie wahr? Wie wird der Wert von Arzneimittel-Innovationen gesehen?
Das österreichische Boxen-System erlaubt in manchen Bereichen immer noch einen sehr schnellen Zugang zu innovativen Therapien, etwa im Bereich der Onkologie. In anderen Bereichen hat sich gezeigt, dass z.B. die Rote Box immer mehr zum „Warteraum“ für Innovation wird und vor einem Abschluss des Erstattungsverfahrens praktisch kaum Zugang zu Innovationen gewährt wird. Im intramuralen Bereich ist die Listung von innovativen Therapien sehr komplex und teilweise unübersichtlich – wer entscheidet, wie lange es bis zum Einsatz der Innovation dauert? All dies ist in jedem Verbund anders geregelt und bräuchte daher mehr Transparenz für die PatientInnen.
Was schätzen Sie am österreichischen System?
Das österreichische System basiert auf der enorm hohen Zahl an Sozialversicherten – praktisch 99,9% der Bevölkerung sind in diesem System abgebildet und werden versorgt. Das ist wirklich großartig.
Können Sie über ein Beispiel aus Ihrem unmittelbaren Bereich berichten, das sinnbildlich für Ihre Einschätzung stehen kann?
In Österreich bedeutet Krankheit in aller Regel nicht, dass der Patient bzw. die Patientin Gefahr läuft, finanziell in Schwierigkeiten zu kommen. Das kenne ich aus anderen Ländern auch anders – deshalb finde ich dies besonders positiv in Österreich. Das System hat sich bis jetzt in der Pandemie ebenfalls bewährt. Generell sehe ich aber auch, dass die Fragmentierung zwischen den Finanz-Töpfen der Länder (Spitäler) und der Sozialversicherung (niedergelassener Bereich) viele Situationen für Patienten schafft, die nicht zum „Best Point of Service“ führen.
Was müsste getan werden, damit die Versorgung heimischer PatientInnen mit innovativen Arzneimitteln für die Zukunft sichergestellt ist?
Ich denke, wir müssen stärker von Versorgungsmodellen ausgehen – d.h. überlegen, wie die bestmögliche Versorgung von bestimmten Patientengruppen sichergestellt werden kann, unabhängig von ihrem Wohnort. In manchen Regionen mag das Spital der beste Ort der Versorgung sein, in anderen der niedergelassene Arzt/die niedergelassene Ärztin. Das jetzige System lässt leider diese Flexibilität nicht zu. Eine Chance für Erneuerung sehe ich in der jüngsten Entscheidung aus dem Gesundheitsministerium, dass die Bundesgesundheitsagentur die Kosten für ein innovatives Medikament zur Behandlung von SMA bei Kleinkindern übernimmt. Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Am Ende des Tages darf in einem Land wie Österreich nicht mehr die Postleitzahl über eine lebensrettende Therapie entscheiden. Für das Wohl der Patientinnen und Patienten müssen wir hier weiter ansetzen.
Über Novartis Österreich
Wir denken Medizin neu – am Puls der Gesellschaft, im Herzen Österreichs. Die österreichische Novartis Gruppe ist eines der führenden Pharmaunternehmen des Landes und gliedert sich in die Geschäftsbereiche innovative Medikamente (Pharmaceuticals, Oncology) und Generika (Sandoz). Unsere Mitarbeitenden leben täglich unsere Mission: Das Leben von Menschen zu verbessern und zu verlängern. Mit unseren Arzneimitteln erreichen wir 5 Millionen heimische Patientinnen und Patienten. Der Novartis-Campus Kundl/Schaftenau in Tirol ist Teil des globalen Netzwerks der Forschungs- und Entwicklungszentren des Unternehmens. www.novartis.at