Patricia Tschabitscher: Nicht das beste Gesundheitssystem der Welt

Das österreichische Gesundheitssystem benachteiligt Innovation, erschwert damit den Zugang zu innovativen Medikamenten für PatientInnen und ist deshalb längst nicht mehr „das beste Gesundheitssystem der Welt“, spricht Patricia Tschabitscher, General Manager Vifor Pharma, im Interview mit FOPI.flash klare Worte.

Sie konnten internationale Erfahrungen sammeln und haben zweifellos einen differenzierten Blick auf den österreichischen Gesundheitssektor. Welche Trends nehmen Sie wahr? Wie wird der Wert von Arzneimittel-Innovationen gesehen?

Im globalen Kontext gesehen können wir uns in Österreich in Bezug auf unser Gesundheitssystem sicher noch glücklich schätzen. Wir haben jedoch sicher nicht mehr das viel zitierte „beste Gesundheitssystem der Welt“. Es wird zunehmend schwieriger für österreichische PatienInnen, Zugang zu den innovativsten Medikamenten zu erhalten. Unser System benachteiligt Innovation. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass neuere Medikamente automatisch billiger sein sollen als altgediente. Bei keiner anderen Branche wäre das möglich. Es ist völlig selbstverständlich, dass ein neues, weiterentwickeltes Auto mit mehr Features und besserer Leistung zu einem Premiumpreis auf den Markt kommt.

Durch diesen Trend wird es für Unternehmen zusehends uninteressanter und schlicht unrentabel. die neuesten Medikamente, in die viel Forschung geflossen ist, auf den österreichischen Markt zu bringen. Somit benachteiligt das österreichische System die PatientInnen in Österreich im Vergleich zum internationalen Umfeld.

Was schätzen Sie am österreichischen System?

Grundsätzlich besteht in Österreich ein niederschwelliger und flächendeckender Zugang zu Medikamenten und Gesundheitseinrichtungen im Allgemeinen. Das sehr eigenwillige, duale Finanzierungssystem (Spitals- versus niedergelassener Bereich) hemmt jedoch einerseits ernsthafte Reformen sowie Einsparungen und macht andererseits PatientInnen oft zum Spielball der Gesundheitspolitik.

Können Sie über ein Beispiel aus Ihrem unmittelbaren Bereich berichten, das sinnbildlich für Ihre Einschätzung stehen kann?

Am Beispiel der Raucherentwöhnung wird das anschaulich. Medikamente zur Raucherentwöhnung sind kategorisch von der Rückerstattung im niedergelassenen Bereich ausgeschlossen (Negativliste). Die Einsparungen, die sich durch weniger Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Lungenkarzinome für das Gesundheitssystem durch Rauchentwöhnung ergeben würden, kämen vor allem dem Spitalsektor zugute. Warum soll also der niedergelassene Bereich Rauchentwöhnung bezahlen, wenn dieser Bereich finanziell dann nicht von den geringeren Folgekosten profitiert?

Ein weiterer Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist die Ermöglichung der Heimtherapie für PatientInnen mit chronischen Erkrankungen, die z.B. regelmäßig Infusionen erhalten müssen. Da diese Medikamente oft hochpreisig sind, wird es PatientInnen praktisch unmöglich gemacht, Heiminfusionen in Anspruch zu nehmen. Für das Gesundheitssystem im Allgemeinen ist jeder Patient im Spital teurer als in der Heimtherapie, vom Lebensqualitätsgewinn durch Heimtherapie für diese PatientInnen ganz zu schweigen. Dennoch besteht kein übergeordnetes politisches Interesse, flächendeckend Heiminfusionstherapie für PatientInnen zu ermöglichen. Hier werden chronisch kranke Menschen zum Spielball der Parteien, allein bedingt durch das duale Finanzierungssystem. Dieses Vorgehen spiegelt sicher nicht „das beste Gesundheitssystem der Welt“ wider.

Was müsste getan werden, damit die Versorgung heimischer PatientInnen mit innovativen Arzneimitteln für die Zukunft sichergestellt ist?

Ganz einfach: Wir müssen den Forschungsstandort sicherstellen, den Zugang zu innovativen Produkten früh in der PatientInnengeschichte ermöglichen, unser juristisches Regelwerk, das in die Jahre gekommen ist, überdenken und endlich einen holistischeren breiteren Blick bekommen. Was wollen wir wie im Gesundheitswesen einsetzen – entweder als Sach- oder als Geldleistung, um Folgekosten zu senken? Den PatientInnen die richtige Therapie zum richtigen Zeitpunkt zu ermöglichen und unnötige Bürokratie für ausgerissene Einzelfälle abzubauen, um schließlich Patientennutzen als Regelverwendung für jede/n BürgerIn zu jedem Zeitpunkt ihres/seines Lebens sicherzustellen, wäre mal ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Kernproblem zur Verbesserung der Versorgung wäre eine verbesserte Nutzenbewertung, in der der Patientennutzen – über welche Mittel auch immer belegbar – die Hauptrolle spielt. Preisgestaltungsmechanismen sollten wir ins 21. Jahrhundert tragen und von einfachen Rabattkaskaden oder befristeten Regularien entkoppeln – hin zu modernen Regelwerken, wo auch neue Kategorien geschaffen werden könnten wie z.B. Nanosimilars. (Nanosimilars sind eine besondere Form von non-biological complex drugs (NBCD), deren Design darauf abzielt, einen verbesserten Zugang des Medikaments zu den Zielzellen zu erreichen.)

Über Vifor Pharma

Die Vifor Pharma Gruppe ist ein globales Pharmaunternehmen mit 2.400 MitarbeiterInnen weltweit. Vifor Pharma verfügt über eine wachsende globale Präsenz mit Produktionsstandorten in der Schweiz und Portugal sowie einem umfassenden Netzwerk von Tochtergesellschaften und Vertriebspartnern. Vifor Pharma Österreich GmbH ist eine Tochtergesellschaft der Vifor Pharma Gruppe, die pharmazeutische Produkte in Österreich vertreibt.

Wir konzentrieren uns auf drei Geschäftsbereiche: Eisenmangel-Therapien, nephrologische und kardio-renale Erkrankungen. Als Wegbereiter auf dem Gebiet der Eisenmangeltherapien verfügen wir über ein starkes wissenschaftliches, regulatorisches und kommerzielles Know-how. In der Zukunft wollen wir uns noch stärker der Nephrologie widmen. Vifor Pharma etabliert sich in der Nephrologie als Partnerin der Wahl und schließt die Lücke zwischen medizinischem Bedarf und Angebot für die PatientInnen. Mit unserem wachsenden und innovativen Nephrologie-Portfolio tragen wir dazu bei, bei PatientInnen mit chronischer Niereninsuffizienz die Nierenfunktion zu erhalten, Komplikationen zu beherrschen und die Lebensqualität zu verbessern.

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