Medikamentenkosten, Gesundheitsökonomie und der gerechte Preis – Was sollen wir tun?

Die offiziellen Dokumente der österreichischen Gesundheitspolitik zeigen traditionell ein geringes Verständnis für das Wesen der Gesundheitsökonomie. Die aktuelle Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens (BGL I Nr. 98/2017) sieht unter anderem die „Forcierung gesundheitsökonomischer Ansätze“, in wechselseitiger Übereinstimmung mit der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG Zielsteuerung-Gesundheit und unter besonderer Berücksichtigung der Patientenorientierung, als inhaltlichen Schwerpunkt vor.

Die genannte „Forcierung gesundheitsökonomischer Ansätze“ in einem politischen Papier zu Organisation und Finanzierung legt die Vermutung nahe, dass damit gemeint ist, dass alle Akteure – wohl unter besonderer Berücksichtigung der Patientenorientierung – sparsam mit Budgetmitteln umgehen sollten. Soweit so gut und richtig, mit Gesundheitsökonomie hat das aber eher weniger zu tun. Ökonomie und sohin auch ihr junger Spross mit Namen „Gesundheitsökonomie“ betreiben keinen geizgeifernden Kaufmannsladen und vollführen schon gar nicht mathematisch-statistischen Hokuspokus, mit vielen Formeln und Tabellen, zum Gaudium der staunenden Menge, die danach artig applaudiert und unbeeindruckt nachhause geht. 

Ökonomie ist ein Kind der Moralphilosophie

Ihr Zweck ist das Stellen der zentralen Frage: Was sollen wir tun? Ihre Aufgabe ist die Aufbereitung aller relevanten Grundlagen, um die Frage „Was sollen wir tun“ für politische EntscheidungsträgerInnen und für die BürgerInnen gut verstehbar und gut beantwortbar zu machen. Wenn wir unseren Blick kurz in die jüngere Vergangenheit und danach über den Horizont schweifen lassen, dann sehen wir eine Reihe innovativer aber auch hochpreisiger Medikamente näherkommen, die EntscheidungsträgerInnen wohl spontan denken oder ausrufen lassen: „Was sollen wir tun?“ Zunehmend mehr gesundheitspolitisch Verantwortliche im In- und Ausland erinnern sich, angesichts dieser dynamischen Entwicklung in der Pharmaindustrie, nun doch an die moralphilsophischen Wurzeln der Ökonomie und wollen mit Rückgriff auf Aristoteles und die mittelalterlichen Scholastiker das Instrument des „iustum pretium“ (des gerechten Preises) für Diskussionen zur Preisdämpfung teurer Medikamente in Dienst nehmen. 

Wie dachte das Mittelalter? 

Individueller Nutzen und Bedarf als Argumente für Preisfestlegungen wurden im Mittelalter in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, sehr wohl aber die „communis aestimatio“ (die allgemeine Wertschätzung) der Gemeinschaft für bestimmte Waren. Eine auf gemeinschaftlicher Wertschätzung, das heißt eine am volkswirtschaftlichen Nutzen orientierte Betrachtungsweise im Gesundheitswesen, wäre etwa für die aktuelle Medikamentenpreis-Debatte so verkehrt ja nicht, auch und insbesondere nicht in Österreich.

Kommentar von Hon. Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp, MBA / Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich