Strukturreformen im Bereich der Krankenkassen – Ja, nein, vielleicht; wenn doch, aber wie?
Reformen im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens sollten eigentlich selbstverständlich und kontinuierlich vorangehen, da sich die gesellschaftlichen Realitäten laufend und immer schneller ändern. Das, was gestern noch goldrichtig war, ist heute gerade noch passend und morgen nur mehr unzeitgemäß.
Jüngstes Beispiel ist der Versuch einer Strukturreform der Krankenkassen. Es ist zwar weitgehend unbestritten, dass wir ein unübersichtliches, intransparentes, kleinteiliges, hochkomplexes System haben, das zu deutlichen Unterschieden in den Leistungen für die Versicherten und auch zu deutlichen Unterschieden der Leistungen für die Gesundheitsberufe führt, aber Widerstände gegen Änderungen formieren sich bereits nachdrücklich und lautstark.
Jeder Mensch mit etwas Hausverstand wird verstehen, dass es nicht sinnvoll und effizient sein kann, wenn 9 gleichartige Gebietskrankenkassen, die 9 gleiche Aufgaben und 9 gleiche/unabhängige Strukturen haben, auf 9 verschiedene Arten und Weisen und vor allem mit 9 unterschiedlichen Ergebnissen nebeneinander arbeiten. Das Argument, dass Konkurrenz wichtig sei, ist zwar grundsätzlich richtig, geht aber hier vollkommen ins Leere, da die Versicherten aufgrund unseres Pflichtversicherungssystems an eine Kasse gebunden sind und nicht wechseln können. Das Argument, dass eine regionale Versorgung bei einer Bundeskrankenkasse nicht mehr möglich sei, ist überhaupt seltsam, denn wenn dies richtig wäre, müssten die bereits bestehenden bundesweiten Träger (wie etwa BVA, SVA der gewerblichen Wirtschaft oder SVA der Bauern) sofort aufgelassen werden. Diese bundesweiten Träger beweisen tagtäglich, dass ein Eingehen auf die regionalen Bedürfnisse der Versicherten/PatientInnen sehr wohl möglich ist.
Die Verwaltung von Krankenkassen darf weder eine Spielwiese für Interessen/Machtpolitik von Gewerkschaften/Arbeiterkammern noch Wirtschaftskammer sein. Wesentlich und wichtig ist, dass die Verwaltung der Mittel alleine im Interesse der Zahler/Versicherten und PatientInnen effizient und effektiv erfolgt; dies ist also eine wichtige Managementaufgabe, aber keine Frage von Macht und Einfluss.
Die laufende, freiwillige Harmonisierung der Leistungen ist zu begrüßen, kratzt aber nur an der Oberfläche des sehr unterschiedlichen und inhomogenen Leistungsniveaus. Die Unterschiede sind weitaus tiefergehend, wie sich etwa bei der Umsetzung der Primärversorgung oder beim „Disease Management Programm Diabetes mellitus II“ oder, um nur einige wenige weitere Beispiele zu nennen, bei den unterschiedlichen Erstattungskatalogen zur Versorgung chronischer Wunden oder bei den unterschiedlichen ärztlichen Honorarkatalogen deutlich zeigt. Dazu kommt, dass die bestehenden freiwilligen, kleinen Harmonisierungsschritte jederzeit von jeder selbstständigen Kasse zurückgenommen werden können.
Die längst fällige Umsetzung eines der wichtigsten Grundsätze eines gerechten, fairen und solidarischen Krankenkassensystems, nämlich: „gleiche Leistungen für gleiches Geld“, bedingt ausnahmslos in einem ersten Schritt diese geplanten Zusammenlegungen.
Gastkommentar von Dr. Gerald Bachinger, NÖ PatientInnen- und Pflegeanwalt, Sprecher der PatientenanwältInnen