Elisabeth Keil – Daiichi Sankyo: Innovativ ist per se kein Qualitätskriterium

Woran Arzneimittel-Innovationen gemessen werden sollten und wie es um die Versorgung der ÖsterreicherInnen mit neuen Medikamenten steht, beschreibt Mag. (FH) Elisabeth Keil, Country Managerin von Daiichi Sankyo Österreich, im Interview mit FOPI.flash.

Sie konnten internationale Erfahrungen sammeln und haben zweifellos einen differenzierten Blick auf den österreichischen Gesundheitssektor. Welche Trends nehmen Sie wahr? Wie wird der Wert von Arzneimittel-Innovationen gesehen?
Die rezente Pandemie hat uns gezwungenermaßen einen „Innovationsschub“ im digitalen Bereich beschert. Vieles, was früher lange hin und her diskutiert wurde, musste plötzlich funktionieren und wurde in weiten Teilen auch gut angenommen – z.B. im Bereich der Telemedizin, die speziell für chronisch kranke Patientinnen und Patienten essenziell sein kann.

Was Arzneimittel-Innovationen betrifft: „Innovativ“ per se ist ja kein Qualitätskriterium. Innovation kann sich nur dann durchsetzen, wenn diese eine deutliche Verbesserung der Patientenversorgung bringt, also eine signifikante und langanhaltende Verbesserung des Gesundheitszustandes oder signifikant höhere Überlebensraten. Lebensqualität ist ein Parameter, der meines Erachtens allerdings noch zu wenig Beachtung findet. Es ist damit zu rechnen, dass bei knapper werdenden Ressourcen diese weiter reduziert werden oder aber im besten Fall nach etablierten Qualitätskriterien bewertet wird. Gut funktionierende Systeme aus anderen Ländern könnten evaluiert und als Stimulus in Österreich initiiert werden. Anzudenken wäre auch, verlässliche und gut strukturierte Daten, wie zum Beispiel aus den nordischen Ländern, auf Österreich zu extrapolieren. Denn zum heutigen Zeitpunkt scheint es eher unwahrscheinlich, dass in Österreich kurz- bis mittelfristig relevante Patientenregister der verschiedensten Entitäten verfügbar sein werden. Dazu benötigt es das Zusammenspiel aller Akteure. Hier liegt großes Potenzial, um Erkenntnisstände abzugleichen und weitere Maßnahmen zu generieren.

Was schätzen Sie am österreichischen System?

Das österreichische Gesundheitswesen bietet im Vergleich zu anderen Ländern einen niederschwelligen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, d.h., unabhängig von sozialem Status oder Erkrankungsbild stehen Patientinnen und Patienten hervorragende medizinische Standards zur Verfügung. Generell ist zu sagen, dass in Österreich relativ häufiger das Spital aufgesucht wird als im EU-Schnitt, das System also insgesamt auf die intramurale Versorgung abzielt. Diese (kostenintensive) Struktur, die schon oftmalig öffentlich diskutiert (und kritisiert) wurde, hat sich im Brennpunkt der COVID-19 Pandemie mitunter als vorteilhaft erwiesen, wenngleich die reine Diskussion um Spitals- oder Intensivbetten sicher zu kurz gegriffen war. Herausfordernd ist sicherlich die Fragmentierung zwischen intra- und extramuralem Bereich. Der Prävention wird wenig bis gar kein Stellenwert eingeräumt, stattdessen läuft vieles noch unter dem Motto „Reparaturmedizin“, d.h. es werden die Folgen, nicht aber die Ursachen behandelt. Room for improvement gibt es ebenfalls im Bereich Digital Health, wenngleich uns Corona auch hier einen – hoffentlich nachhaltigen – Schritt nach vorne gebracht hat. 

Können Sie über ein Beispiel aus Ihrem unmittelbaren Bereich berichten, das sinnbildlich für Ihre Einschätzung stehen kann?

Ich denke, die Industrie hat sich in dieser Pandemie an vielen Stellen als zuverlässiger und umsetzungsstarker Partner gezeigt, sei es nun in der Entwicklung eines Impfstoffes oder mit einer durchaus krisenfesten Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten.

Was müsste getan werden, damit die Versorgung heimischer PatientInnen mit innovativen Arzneimitteln für die Zukunft sichergestellt ist?

In Österreich ist bis dato der Zugang zu innovativen Arzteimitteln im intramuralen Bereich vergleichsweise rasch gegeben. Das föderalistische System ist einem einheitlichen Zugang zu innovativen Therapien allerdings eher abträglich. Wichtig ist, schon an der Basis eine valide Forschungsinfrastruktur und faire Marktbedingungen zu gewährleisten. Damit meine ich nicht nur angemessene Arzneimittelpreise, sondern auch eine valide Bewertung von Therapien, auch nach Zulassung. Die Dokumentation von Effektivität, Nebenwirkungen, Compliance sowie Gründe für Therapieabbrüche. Gute, effektive Arzneimittel sind nicht nur für PatientInnen von Nutzen, sondern für das gesamte System. Wünschenswert wäre auch die Dokumentation der Schnittstellenversorgung intra-extramural oder eine zentrale Erfassung von Patientendaten und Therapieeffizienz. Es werden auch immer wieder unterschiedliche Ansätze zur Finanzierung und Bewertung von Innovation diskutiert, „Risk Sharing Modelle“ oder „Pay for Performance“ etwa. Es ist aber leider zu erwarten, dass es durch den wirtschaftlichen Impact der COVID-19-Pandemie eher zu generellen und wenig differenzierten Sparmaßnahmen kommen wird. Insofern spreche ich mich natürlich für eine transparente Diskussion und Entscheidungsfindung im Sinne der Patientinnen und Patienten aus.

Über Daiichi Sankyo

Die Daiichi Sankyo Gruppe widmet sich der Entwicklung und Bereitstellung innovativer pharmazeutischer Therapien, um Versorgungsstandards zu verbessern und den vielfältigen, ungedeckten medizinischen Bedarf der Menschen weltweit zu decken, indem wir unsere erstklassige Wissenschaft und Technologie nutzen. Mit mehr als 100 Jahren wissenschaftlicher Expertise und einer Präsenz in mehr als 20 Ländern können Daiichi Sankyo und seine 15.000 MitarbeiterInnen weltweit auf ein reiches Erbe an Innovationen und eine robuste Pipeline an vielversprechenden neuen Medikamenten zurückgreifen, um Menschen zu helfen. Neben einem starken Portfolio an Medikamenten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen konzentriert sich Daiichi Sankyo im Rahmen der Konzernvision 2025, ein „Global Pharma Innovator with Competitive Advantage in Oncology“ zu werden, vor allem auf die Bereitstellung neuartiger Therapien in der Onkologie sowie auf andere Forschungsbereiche rund um seltene Krankheiten und Immunerkrankungen. Weitere Informationen unter www.daiichisankyo.com