Der Weg der Patient:innen als Roadmap für den Finanzausgleich

Michael Kreppel-Friedbichler (c) Stefan Csaky
© Stefan Csaky

Die Finanzausgleichsverhandlungen sind klassisch der Rahmen für einen Austausch der Standpunkte der unterschiedlichen Interessensgruppen. Zaungast sind die Patient:innen. Doch sie sollten eigentlich im Zentrum stehen, meint FOPI-Vizepräsident Michael Kreppel-Friedbichler.

Ist das österreichische Gesundheitssystem noch das zuverlässige Sicherheits- und Auffangnetz mit Spitzenleistungen für alle Menschen in Österreich, die krank werden, chronisch krank sind oder auch nur ihre Gesundheit erhalten wollen? Die Grundversorgung ist noch gegeben. Immerhin sind rund 99 Prozent der Bevölkerung krankenversichert, und jede:r kann ärztliche Betreuung in Anspruch nehmen, auch wenn das oft mit längeren Wartezeiten oder weiten Wegen verbunden ist.

Gleichzeitig gibt es jedoch immer größere Baustellen. Der grassierende Ärzt:innenmangel und der riesige Bedarf an Pflegekräften dominieren die öffentliche Diskussion im Gesundheitssektor. Dem gegenüber steht die hohe Zahl an unbesetzten Kassenstellen im niedergelassenen Bereich. Dazu kommt noch der immer schwieriger werdende Zugang zu Innovation und Spitzenmedizin, der derzeit noch im Schatten der anderen Themen steht.

Als forschende Pharmaindustrie legen wir darauf besonderes Augenmerk, weil in diesem Segment die Zukunft unseres Gesundheitssystems beheimatet ist. Wenn wir bei klinischer Forschung und innovativen Therapien den Anschluss verlieren, trifft das heute vor allem die Menschen mit schweren und/oder seltenen Erkrankungen. Schon morgen hat es aber Auswirkungen auf breitere Bevölkerungsgruppen. Denn wenn zum Beispiel moderne Therapien für österreichische Patient:innen nicht bzw. nur mit großer Verzögerung verfügbar sind, dann ist es um Patient:innen und die gesunden Lebensjahre nicht gut bestellt.

Als Vertreter:innen international agierender Biotech- und Pharmaunternehmen kennen wir den Vergleich mit anderen Ländern aus unserer täglichen Arbeit und wissen, wo wir von den Spitzenreitern in Europa lernen können. Uns ist auch bewusst, dass wir ins Tun kommen müssen, wenn wir die Löcher in unserem Netz namens Gesundheitssystem wieder schließen wollen.

Deshalb sehen wir die derzeit laufenden Gespräche zum Finanzausgleich als einmalige Chance, nachhaltige Weichenstellungen für die Zukunft zu treffen. Wir erleben dabei, dass einzelne Player ernsthaft etwas verändern wollen, während andere vor allem darauf konzentriert sind, ihre Positionen zu verteidigen. Das Hauptproblem aber – welches sich über viele Bereiche erstreckt – ist das sogenannte Silo-Denken. Selbst konstruktive Gesprächspartner:innen haben oft nur ihren Wirkungsbereich im Blick und nicht die Patient:innen, die im Laufe Ihrer Erkrankung mit vielen Bereichen des Gesundheitssystems in Kontakt kommen.

Wenn wir das Gesundheitssystem von morgen als innovatives, patientenzentriertes System bauen wollen, müssen wir dem Weg der Patient:innen folgen.

Wir dürfen nicht allein an „extramuralen Sektor“ und „intramuralen Sektor“ oder an „Länder- oder Bundestöpfe“ denken. Wir müssen mit der Brille der Patient:innen darauf schauen, wo man mit einem gesundheitlichen Anliegen gegen verschlossenen Türen läuft, wo man Hürden nehmen muss oder wo man stolpert.

Der Finanzausgleich bietet diese Möglichkeit, weil hier alle Bereiche miteinander in Interaktion treten. Erfolgreich werden die Gespräche im Sinne der Patient:innen nur verlaufen, wenn Entscheidungen transparent sind, wenn internationale Benchmarks und Erkenntnisse ernstgenommen werden – und wenn diese Gespräche konstruktiv geführt werden. Daher sollen vorher keine Mauern mit unverrückbaren Positionen aufgebaut werden, in die man nachher mühsam wieder abbauen muss.

Unser Appell lautet daher: Lassen Sie uns gemeinsam Lösungen finden und nicht durch unrealistische Forderungen Mauern aufbauen.“

Am Beispiel der Spitzenmedizin kann eine solche Lösung etwa lauten: Dienstleistungen sollten dort passieren, wo sie die Patient:innen bestmöglich erreichen und wo sie am effizientesten sind. Partnerschaften und Zusammenarbeit zwischen allen Bereichen gibt es schon in Ansätzen und können als Vorreiter dienen. So können auch finanzielle Ressourcen eingespart werden, die anderswo, beispielsweise bei der Spitzenmedizin, gebraucht werden.

Gemeinsam kann es gelingen, unser Gesundheitssystem zukunftssicher zu gestalten und die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Ich bin dazu bereit.

Dr. Michael Kreppel-Friedbichler, MBA, ist Geschäftsführer von Biogen Österreich und Vizepräsident des FOPI.